Bei dem Messerangriff am Hamburger Hauptbahnhof gab es 18 Verletzte, keiner schwebe mehr in Lebensgefahr. Die mutmaßliche Täterin soll in die Psychiatrie eingewiesen werden.
Nach dem Messerangriff am Hamburger Hauptbahnhof mit 18 Verletzten hat ein Haftrichter die Unterbringung der 39 Jahre alten Verdächtigen angeordnet. Der Unterbringungsbefehl laute auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen, teilte die Polizei mit. Zunächst hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, dass die Frau als psychisch krank bekannt sei. Aus der „Bild“-Berichterstattung geht zudem hervor, dass Lydia S. in Braunschweig geboren wurde, ohne festen Wohnsitz ist und erst am Vortag der Tat aus einer psychiatrischen Klinik in Bremerhaven entlassen worden sein soll. Dort hatte sie demnach aber nur vier Tage verbracht.
Über die Umstände der Entlassung ist nichts bekannt. Aber auch in Hamburg war sie schon auffällig geworden, so bei einem unvermittelten körperlichen Angriff auf ein sechs Jahre altes Mädchen im Terminal des Hamburger Flughafens im Februar dieses Jahres. Anschließend kam die 39-Jährige wegen des Verdachts auf Schizophrenie in die Fachklinik Ochsenzoll, durfte aber auch diese trotz eines laufenden Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung wieder verlassen. Wo sie sich danach bis zu ihrer Einweisung in die Bremerhavener Klinik aufhielt, ist unklar.
Es bestünden „inzwischen sehr konkrete Hinweise auf eine psychische Erkrankung“ und „keine Anhaltspunkte für eine politische Motivation“ der 39-Jährigen, hieß es von der Polizei. Hinweise darauf, dass sie unter dem Einfluss berauschender Mittel wie Alkohol oder Drogen stand, bestehen den Angaben nach derzeit nicht. Weitere Angaben machte die Polizei nicht.
Am Freitagabend hatte eine Person offenbar wahllos auf Passanten eingestochen. Als mutmaßliche Täterin hatte die Polizei vor Ort eine Frau festgenommen. Die 39 Jahre alte Deutsche habe sich widerstandslos festnehmen lassen.
Die Zahl der bei der Tat verletzten Menschen bezifferte die Polizei auf 18 im Alter von 19 bis 85 Jahren. Wie am Samstag bekannt wurde, konnten in der Nacht auch jene vier Menschen gesundheitlich stabilisiert werden, die bei der Tat lebensgefährliche Stichverletzungen im Brust- und Halsbereich erlitten hatten. Drei Frauen im Alter von 24, 52 und 85 Jahren sowie ein 24 Jahre alter Mann waren mit lebensgefährlichen Verletzungen in Krankenhäuser gekommen.
Keiner der Verletzten muss künstlich beatmet werden, durch die zum Teil tiefen Stichwunden war bei einigen aber der Blutverlust erheblich. Laut Zeugenaussagen hatten einige der Opfer den Angriff von hinten zunächst gar nicht bemerkt und ihre erlittene Verletzung nicht zuordnen können, so schnell lief die Tat ab.
Mittlerweile kursiert ein Video, das Sequenzen der Festnahme zeigt. Zu sehen ist eine dunkel gekleidete Frau mit weißer Hautfarbe, die eine Kapuze über dem Kopf, einen Rucksack und eine Sporthose trägt. In der Sequenz wird sie von der Polizei abgeführt. Eine Gruppe von Männern verfolgte die Tatverdächtige direkt nach dem Geschehen eine kurze Strecke über den Bahnsteig, dann kam die Polizei hinzu.
Nach früheren Angaben der Polizei hatte gegen 18 Uhr eine Person auf dem Bahnsteig zwischen den Gleisen 13 und 14 wahllos um sich gestochen. Polizei und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot im Einsatz. Mehrere Polizisten standen am Freitagabend vor einem ICE, auf dem Gleis waren rot-weiße Absperrbänder angebracht.
Die Messerattacke ist dank des mutigen Eingreifens von zwei Passanten gestoppt worden. „Durch das sehr schnelle Eingreifen zweier Passanten, die sich auf dem Bahnsteig befanden, (…) konnte der Angriff unterbrochen werden“, teilte die Polizei am Samstagmittag mit. Einsatzkräfte hätten die 39 Jahre alte Deutsche im Anschluss schnell festnehmen können.
Die Straßen Steintorbrücke und Steintordamm, die an der Südseite des Bahnhofs oberhalb der Gleise queren, waren für den Straßenverkehr gesperrt worden. Das „Hamburger Abendblatt“ zitierte Augenzeugen mit den Worten, der Steintordamm gleiche „einem Lazarett“.
Bis in die Nacht hinein waren Ermittler mit der Spurensicherung beschäftigt. Am Samstagmorgen fahren die Züge wieder nach Plan. Das bestätigte eine Sprecherin der Deutschen Bahn.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) tauschte sich am Abend mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) über den Messerangriff aus. Tschentscher habe Merz in dem Telefonat über die Versorgung der Verletzten und die Situation vor Ort informiert, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius mit. Merz habe die Unterstützung der Bundesregierung angeboten.
Auf X schrieb Merz: „Die Nachrichten aus Hamburg sind bestürzend. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Mein Dank geht an alle Einsatzkräfte vor Ort für ihre schnelle Hilfe.“
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt verurteilte den Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof. „Es ist schockierend, wenn Reisende hinterhältig und feige attackiert werden“, sagte Dobrindt laut Bundesinnenministerium in der Nacht. Seine Gedanken seien bei den Opfern der Messerattacke. Gleichzeitig dankte er den Polizisten, Rettungskräften und Helfern vor Ort.
Die Deutsche Bahn äußerte ihre „tiefe Bestürzung“ über den Messerangriff. „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Verletzten“, hieß es in einer Mitteilung. Manuel Ostermann von der Deutschen Polizeigewerkschaft sagte gegenüber WELT: „Ein ,weiter so‘ darf es nicht geben. 79 Messerdelikte pro Tag im Jahr 2024 in Deutschland und ein Ende ist nicht in Sicht. Wenn wir jetzt nichts unternehmen, dann wird Deutschland sich weiter radikal verändern.“
Der Hamburger Hauptbahnhof gehört zu den am stärksten frequentierten Verkehrsknotenpunkten in Deutschland. Im freitäglichen Feierabendverkehr herrscht dort regelmäßig dichtes Gedränge. Laut Bundespolizei gehörte er im Jahr 2022 zu den gefährlichsten Bahnhöfen in Deutschland. Inzwischen hat sich die Lage nach offiziellen Angaben verbessert.
Die Zahl der Gewalttaten sank am Bahnhof um knapp ein Viertel (24,2 Prozent) von 720 im Jahr 2023 auf 546 im vergangenen Jahr, wie die Bundesregierung im Februar auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion mitteilte. Allerdings verdoppelte sich die Zahl der Gewalttaten, bei denen ein Messer eingesetzt wurde fast, von 12 auf 23 Fälle.
Seit dem 1. Oktober 2023 besteht ein Waffenverbot rund um den Hamburger Hauptbahnhof. Mitte Dezember 2024 hatte der Senat außerdem ein Messerverbot im öffentlichen Nahverkehr erlassen.
lay/gub/AP/AFP/dpa/fhs/jr/säd