Der Fotograf Sebastião Salgado ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Er wurde mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern von Katastrophen und bedrohter Natur weltberühmt. In Brasilien startete er eines der größten Aufforstungsprojekte.
Der weltweit bekannte Fotograf Sebastião Salgado ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Das gab die französische Akademie der Schönen Künste in Paris bekannt, deren Mitglied er war.
Der Fotograf mit brasilianischer und französischer Staatsbürgerschaft ist mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern weltberühmt geworden, Filmregisseur Wim Wenders porträtierte ihn im Jahr 2014 in dem für den Oscar nominierten Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“. 2019 erhielt Salgado den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Die Fotografie als Sprache
„Das Land war nur noch eine staubige Steppe. Von den Vögeln, den Alligatoren, den majestätischen Wäldern und all den Wundern, die sie in Sebastiãos Jugend belebt hatten, war nichts übrig“, beschreibt Wenders in dem Film den Moment, als Sebastião Salgado nach Jahrzehnten zum Landgut seiner Familie zurückkehrt.
Unkontrollierte Abholzung hat die Gegend im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, die er als Kind noch als üppigen Regenwald kennengelernt hatte, in eine kaputte, von Erosion zerstörte Steppe verwandelt. Das Bild der Ödnis und Verwüstung ist gleichzeitig auch eine Metapher – für Salgados eigenen Zustand damals Mitte der 1990er-Jahre.
Das, was ihn ausmachte, sein Leben prägte und ihn in der ganzen Welt berühmt gemacht hatte – genau das drohte ihn damals innerlich kaputtzumachen. „Für mich ist Fotografie eine Lebensart, in der meine Sprache die Fotografie ist, egal ob ich etwas wunderschön oder völlig zerstört vorfinde, egal ob es mich begeistert oder entsetzt“, sagte er.
Ein Bild in der Ausstellung „Amazonia“ des brasilianischen Dokumentarfotografen Sebastião Salgado im California Science Center in Los Angeles.
Per Zufall zur Fotografie
Salgado, der eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert hatte und später vor der Militärdiktatur in Brasilien nach Paris floh, kam eher zufällig zur Fotografie. Er knipste während Dienstreisen mit der Leica seiner Frau. Sein außergewöhnlicher Blick für Licht und Schatten machte ihn berühmt: Es entstanden bewegende Schwarz-Weiß-Bilder, zunächst aus Afrika, dann auch aus Europa und Lateinamerika.
Er war pausenlos unterwegs: „Als Fotograf kann man nicht einfach aufhören. Das ist wie Fahrradfahren. Du musst immer weiter treten.“
Meistens war er allerdings zu Fuß unterwegs. Viele Tausende Kilometer reiste er, hielt mit seiner Kamera auch fest, was niemand sehen wollte oder konnte: Bilder der Opfer des Völkermords in Ruanda, Hungertote in der Sahelzone und Goldsucher, die sich zu Tausenden in einer verdreckten Mine drängen.
Bilder brachten auch Kritik mit sich
Es sind Bilder der Ausbeutung, der Zerstörung, des Leids und Elends, in denen doch immer auch Ästhetik und Schönheit lag. Das brachte ihm auch Kritik ein: der Sozialfotograf, der das Elend der Leidenden instrumentalisiere, nannten ihn Kritiker.
Salgado antwortete darauf: „Die moralische Frage kann nicht sein, ob man katastrophale Zustände zeigen darf oder nicht. Ich glaube, wir müssen sie zeigen.“ Die Menschen müssten begreifen, was passiert. „Jeder muss betroffen sein, und die Möglichkeit bekommen, etwas zu ändern oder nicht“, sagte der Fotograf. „Es geht nicht um die Frage, ob man solche Fotos macht oder nicht. Die Bilder sind harmlos im Vergleich zur Realität.“
Salgados Rückkehr in die Natur
Doch irgendwann schaffte er es selbst nicht mehr, das Gesehene zu verarbeiten. Salgado wurde krank, sein Immunsystem brach zusammen. „Wir Menschen sind ausgesprochen wilde Tiere. Furchtbare Tiere. Unsere Geschichte ist eine Geschichte von Kriegen ohne Ende.“
Kraft und Hoffnung fand er wieder in der Natur. Gemeinsam mit seiner Frau kehrte er zurück auf die Farm seiner Kindheit in Brasilien, sie begannen auf dem öden Land wieder Wald zu pflanzen und schufen mit dem Instituto Terra eines der größten Aufforstungsprojekte Brasiliens
„Es ist eine Freude zu sehen, wie alle Pflanzenarten zurückkommen, und die Tiere – von denen wir glaubten, sie seien in unserer Gegend für immer ausgestorben. Für uns ist dieser Wald ein Heiligtum“, sagte er über sein Projekt.
Neue Inspiration für die Fotografie
Es war ein Neuanfang, auch für seine Fotografie: Zuerst schuf er mit dem Projekt „Genesis“ – die Schöpfung – einen Gegenentwurf zu Krieg und Zerstörung. Es folgte „Amazônia“ – eine eindrucksvolle Hommage an die Schönheit der grünen Lunge der Erde und die indigenen Völker, die sie bewahren. Zugleich sind diese Bilder auch Warnung und Mahnung an die Menschheit, diese Welt nicht zu zerstören.
„Sebastiao Salgado war viel mehr als einer der größten Fotografen unserer Zeit“, schrieb das von ihm gegründete Instituto Terra nach Bekanntwerden seines Todes. „Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Lélia Deluiz Wanick säte Salgado Hoffnung dort, wo Verwüstung herrschte, und verlieh so der Idee Ausdruck, dass die Wieder-Instandsetzung der Umwelt auch eine tiefe Geste der Liebe zur Menschheit ist.“