Außergewöhnliche Krankheit
Wie ich den Dämon in meinem Körper besiegte
Was war nur mit mir los? Ich litt unter Stimmungsschwankungen, meine Hände kribbelten, Nase und Füße wuchsen. Ärzte wussten lange keinen Rat. Bericht einer Diagnose-Odyssee.
Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und erschien zuerst im März 2022. Anlässlich des Tags der seltenen Krankheiten am 29. Februar veröffentlichen wir es an dieser Stelle erneut.
Im Nachhinein sehe ich die Dinge klar und deutlich, auf einmal passt jedes Mosaiksteinchen zusammen. Aber als ich damals nicht wusste, wie mir geschah, da sah ich das große Ganze nicht. Auch die Menschen um mich herum sahen lange nicht die Zusammenhänge. So ging es mir und meiner Familie und auch den unterschiedlichen Ärzten, die mich behandelten. Meine Geschichte zog sich über Jahre hin, genauer gesagt: über sechs Jahre. Später erfuhr ich: Das ist nicht ungewöhnlich. Ich liege damit gut im Mittelfeld. Manchmal dauert es noch viel länger, bis Mediziner auf die richtige Diagnose kommen. Heute bin ich 36 Jahre alt, Illustratorin und Grafikerin und habe diesen Text illustriert. Begonnen hat das Ganze bei mir mit Ende 20.
Ich war von jeher neugierig, lebenslustig und körperlich robust – als Kind, Jugendliche und junge Erwachsene. Ich probierte vieles aus, und besonders leidenschaftlich war ich beim Snowboarden, Wellenreiten und Skifahren. Alles Sportliche fiel mir leicht, ich lernte schnell. Während im Erwachsenenalter meine Freundinnen sagten, sie müssten mal wieder ins Fitnessstudio, machte ich so etwas lieber nicht, weil ich nicht wollte, dass meine Oberschenkel noch muskulöser wurden. Auch joggen gegangen und Rad gefahren bin ich nicht, aus Sorge, dann schnell wie eine Bodybuilderin auszusehen. Ich baute eben sehr schnell Muskeln auf. Manchmal sagte ich im Scherz, dass meine Waden selbst beim Autofahren kräftiger würden – nur vom Gasgeben und Bremsen.
Unreine Haut
Als ich 29 war, bekam ich ganz plötzlich unreine Haut. Die Pubertätsakne hatte ich da schon längst hinter mir. Die Veränderung traf mich hart. Ich hatte schon mal für die Zeitschrift „Brigitte“ als Laien-Model bei einem Fotoshooting mitgemacht, der natürliche Typ, mit Sommersprossen und breitem Lachen. Und jetzt das! Ich probierte Tinkturen aus, Cremes, Salben, Naturkosmetik, nichts half richtig. Ich knibbelte und pulte im Gesicht herum, was die Sache noch schlimmer machte – es entstanden kleine Narben. So ging das über Monate. Ich litt sehr und wurde immer bedrückter.
Unglücklich
Ich wollte am liebsten keinen mehr sehen, keinen mehr treffen und brach leicht in Tränen aus. Ich ließ mir meine Haare lang wachsen und ins Gesicht fallen, wie einen Vorhang, damit keiner meine Pickel sah. Irgendwann begann ich mit einer Verhaltenstherapie, weil ich so unglücklich war. Dort ging es darum, dass ich mich nicht so auf meine Haut fixieren sollte. Und die Frage stand im Raum: War ich unglücklich wegen meiner Pickel oder depressiv?
Erschienen in stern Gesund Leben 02/2022