EU will Nachhaltigkeit festlegen
Schneider und Reiche uneins über Atomkraft-Einstufung
23.05.2025, 17:15 Uhr
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Die EU will weiterhin ihren CO2-Ausstoß senken und setzt dafür auf emissionsarme Energieerzeugung. Welche Energieform aber nun genau nachhaltig ist, daran scheiden sich die Geister – auch in der Bundesregierung. Wirtschafts- und Umweltressort haben da konträre Ansichten.
Die Bundesregierung ringt um eine gemeinsame Haltung in der Frage, ob Atomkraft auf EU-Ebene als nachhaltig eingestuft werden soll. „Dazu laufen Gespräche auf europäischer Ebene mit unseren europäischen Partnern, mit der Europäischen Kommission und auch innerhalb der Bundesregierung“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille in Berlin.
Zuvor hatte Bundesumweltminister Carsten Schneider erklärt, Deutschland lehne diese Einstufung weiterhin ab. „Äußerungen von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung, es gäbe hier eine neue Offenheit, sind Privatmeinungen“, sagte der SPD-Politiker. „Eine Positionierung der Bundesregierung gibt es nicht und wird es mit der SPD auch künftig nicht geben.“
In einem zum Antrittsbesuch des frisch gewählten Kanzlers Friedrich Merz in Paris am 7. Mai veröffentlichten gemeinsamen Papier der Regierungen in Paris und Berlin heißt es, man werde einen deutsch-französischen Neustart in der Energiepolitik durchführen, „der auf Klimaneutralität, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität beruht“.
Reiche fordert Technologieoffenheit
Das bedeute etwa, die Gleichbehandlung auf EU-Ebene aller emissionsarmer Energien sicherzustellen. Auch Kernenergie, die in Frankreich eine wichtige Rolle spielt, gilt als emissionsarm. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU hatte dazu am Donnerstag in Brüssel gesagt, man müsse technologieoffen sein.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellte es beim gemeinsamen Auftritt mit Merz Anfang des Monats so dar: „Um unsere Energiesouveränität unter Wahrung der nationalen Entscheidungen zu gewährleisten, rufen wir dazu auf, auf europäischer Ebene alle Diskriminierungen von kohlenstoffarmen Energien, sowohl nuklearen als auch erneuerbaren, zu beenden.“
Schneider sagte hingegen, Deutschland habe sich aus guten Gründen für ein Energiesystem ohne Atomkraft entschieden. „Die Atomkraft ist deutlich teurer als die erneuerbaren Alternativen, bei deren Ausbau Deutschland bereits weit vorangekommen ist und die auch wirtschaftlich ein erfolgreicher Standortfaktor sind. Atomkraft bringt unkalkulierbare Risiken mit sich – mit Blick auf Unfälle und die Verbreitung radioaktiven Materials. Ich kann eine solche Technologie nicht ernsthaft als nachhaltig bezeichnen.“
Auch Grünen-Chef Banaszak kritisiert Reiche
Die Finanzierung von Atomanlagen aus EU-Mitteln lehne Deutschland ab, sagte Schneider. „Das gilt auch für Versuche, Atomstrom mit nachhaltiger Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gleichzusetzen.“ Man respektiere aber die Entscheidung anderer EU-Staaten, Atomenergie zu nutzen, solange von diesen Anlagen keine Gefährdungen für die deutsche Bevölkerung ausgingen.
Grünen-Chef Felix Banaszak sagte, Reiche wolle „die teure und gefährliche Atomkraft als klimafreundlich“ verkaufen. „Atomkraft als nachhaltige Investitionen zu bezeichnen, ist ökologisch, finanziell und sozial unverantwortlich, schädigt die Energiewende und untergräbt die europäischen Klimaziele.“ In Europa müssten erneuerbare Energien nach vorn gestellt werden.