München und Romy Schneider. Mutter Magda, eine gebürtige Augsburgerin, erfreute als Soubrette auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters die Nazi-Größen und stand später – sie war Nachbarin des Führers am Obersalzberg – auf der sogenannten Gottbegnadeten-Liste. Und sie, die Rosemarie, die pausbäckige Franzl-Sissi-Kaiserin der kitschsehnsüchtigen Fünfzigerjahre-Herzen?
Da gibt es diese Randnotiz im lokalen Vermischten der Süddeutschen Zeitung vom Februar 1959. Fasching war’s, der berühmte Tanz der Standl-Frauen am Viktualienmarkt, OB Thomas Wimmer schickt ein Grußtelegramm. Jubel. Romy Schneider ebenfalls, es ertönen „schrille Pfiffe“. Wegen ihm: Frankreichs undurchsichtigen Beau Alain Delon. Mit ihm haben die Münchner ihre Romy Tage zuvor beim Ball im Deutschen Theater tanzen sehen.
Nun wird sie dort wieder tanzen. Just an ihrem Todestag, dem 29. Mai, bringt Choreograf Enrique Gasa Valgas im Deutschen Theater sein Tanzstück „Romy“ auf die Bühne, als Deutschlandpremiere.
Der Mann aus Barcelona war lange Leiter der Tanz-Company am Tiroler Landestheater, wo er die Sparte Ballett und den zeitgenössischen Tanz deutlich nach vorne brachte, Arbeiten von Star-Choreografen Jiri Kylian, Ohad Naharin oder Nacho Duato nach Innsbruck holte und eigene, publikumswirksame Tanztheaterstücke kreierte, von denen einige – „Frida Kahlo“, „Der Große Gatsby“ und „Lágrimas Negras“ – mittlerweile auch in München zu sehen waren. Nun zeigt er „Romy“ aus dem Jahr 2021, fürs Deutsche Theater aktualisiert.

Gasa Valgas ist nicht mehr an das Tiroler Landestheater gebunden, er tourt mit seiner Limonada Dance Company durch Europa. Und betrachtet das Deutsche Theater mittlerweile als so etwas wie sein neues künstlerisches Zuhause. Auch Theaterchef Thomas Linsmeyer bestätigt, die Zusammenarbeit mit der Compagny wird noch intensiver werden. Weitere Stücke sollen folgen. Eines wird Richard Wagner in den Fokus nehmen. Noch so ein Mythos.
Zunächst aber geht es um Romy Schneider, die 1982 mit nur 43 Jahren starb, an Herzversagen, wie es heißt. Eine „getanzte Biografie“ werde man zu sehen bekommen, „ein Leben voller Widersprüche, künstlerischer Wandlungsfähigkeit und persönlicher Tragik“. So jedenfalls wirbt das Theater, und schürt damit ein kleinwenig die Befürchtung, dass hier einmal mehr das Leben der Schauspielerin ausgewrungen und verkitscht werden könnte. Tote Legenden können sich nun mal nicht wehren.
Den Anstoß für das Projekt hat zumindest eine ehrliche Bewunderin von Romy Schneider gegeben, Enrique Gasa Valgas Mutter. Die 75-Jährige hat ihrem Sohn klar gemacht, dass dieses Leben mehr war als „Sissi“, ein brutales voller Schicksalsschläge, aber auch ein inspirierendes für Frauen wie sie. Gasa Valgas hat sich also hineingegraben in diese Biografie und folgt nun zusammen mit seinen 14 Tänzerinnen und Tänzern Romy Schneiders Weg.
Da ist das auf ein Internat abgeschobene Schauspieler-Kind, einsam, hochbegabt, mit 16 dann „Sissi“, die Rolle, die an ihr kleben wird „wie Grießbrei“, wie sie später beklagt. Als höchstbezahlte Schauspielerin ihrer Generation wird sie trotz Millionen-Gage das Angebot eines vierten „Sissi“-Films ablehnen, sehr zur Enttäuschung von Magda Schneiders zweitem Mann, dem Großgastronomen Hans Herbert Blatzheim. Dann der Weg hinaus aus dem deutsch-österreichischen Nachkriegsmief: die Begegnung mit Alain Delon bei den Dreharbeiten zu „Christine“ 1958. Romy Schneider und Frankreich. „L’était impossible de ne pas l’aimer“ – Unmöglich, sie nicht zu lieben, sagen die Franzosen bis heute.

Romy Schneider konnte auch singen, „La chanson d’Hélène“, das Thema aus Claude Sautets Film „Les choses de la vie“ (1970), hat sie selbst aufgenommen, mit ihrer unverwechselbaren Stimme. Greta Marcolongo wird es im Deutschen Theater singen, einmal mehr ist diese großartige Sängerin mit einem Ensemble aus sechs Musikern dabei. Die Musik ist chansonlastig, melancholisch: Charles Aznavours „La Bohème“, „Les Feuilles Mortes“, das man von Yves Montand kennt, oder Willy De Villes „Heaven Stood Still“, das am Anfang und am Ende des Balletts zu hören sein wird.
Romy Schneiders Herz stand still am 29. Mai 1983. Man hat sie nicht vergessen seither. Es gibt ihre Filme, Biografien, Biopics, das Buch ihrer Tochter Sarah – und nun also auch ihr Leben als Tanz.
Romy, Tanztheater, vom 29. Mai bis 8. Juni, Deutsches Theater, www.deutsches-theater.de