Jetzt soll sie kommen, die Wirtschaftswende, das ist das Ziel der neuen Bundesregierung. Helfen sollen Milliardeninvestitionen in Verteidigung und Infrastruktur. Damit
die geplanten Schuldenpakete einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben,
ist eines entscheidend: Die Mittel müssen für zusätzliche
Investitionen ausgegeben werden.
Doch genau diese Zusätzlichkeit könnte nicht ausreichend gesichert sein. Zu dieser
Einschätzung kommen die sogenannten Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen
Frühjahrsgutachten, das der Sachverständigenrat der Bundesregierung an diesem Mittwoch vorgestellt hat und ZEIT ONLINE vorab einsehen konnte. Ihren
Berechnungen zufolge besteht weiterhin ein enormer Spielraum, die neuen finanziellen
Möglichkeiten anders zu nutzen als vorgesehen: Rund 50 Milliarden Euro pro Jahr
könnten demnach künftig in sogenannte konsumtive Ausgaben fließen – statt in Investitionen. Also zum Beispiel auch verwendet werden, um teure Wahlversprechen wie Entlastungen für Unternehmen oder die Mütterrente zu finanzieren. Es wären bis zu 1,2 Prozent der
Wirtschaftsleistung. Und damit ein Verschiebebahnhof von immensem Ausmaß.
„Wir brauchen dringend zusätzliches Investitionsvolumen“, sagt Ulrike Malmendier, Mitglied im Sachverständigenrat. „Es sollte unbedingt verhindert werden, dass bereits geplante
Investitionen aus dem Kernhaushalt verschoben werden können.“
Die Befürchtung ist nicht neu. Die Grünen hatten bereits im März das Wort „zusätzlich“ als Bedingung für ihre Zustimmung zu den
Schuldenpaketen gemacht. So haben es die Parteien im Grundgesetz festgehalten. Außerdem
haben sich Union und SPD mit den Grünen darauf verständigt, dass die
Investitionsquote im Bundeshaushalt mindestens zehn Prozent des Gesamtetats
betragen muss, damit keine bereits geplanten Investitionen aus dem Kernhaushalt
verschoben werden.
Die Wirtschaftsweisen beruhigt diese Abmachung jedoch keineswegs.
„Die bisherigen Vorkehrungen reichen nicht aus“, sagt Malmendier. Der Rat erwartet für dieses Jahr – wie auch die
Bundesregierung – eine Stagnation der Wirtschaftsleistung. Nach Ansicht der Wirtschaftsweisen
haben die geplanten Finanzpakete jedoch das Potenzial, die deutsche Wirtschaft
wieder auf den Wachstumspfad zu führen – wenn die Mittel eben richtig eingesetzt werden.
Hohe Verteidigungsausgaben, niedrige Investitionsquote
Den Ökonominnen und Ökonomen des Sachverständigenrates zufolge schafft den größten Spielraum die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben oberhalb von einem
Prozent der Wirtschaftsleistung. Zuletzt wurden im Bundeshaushalt bereits
deutlich mehr Mittel für Verteidigung veranschlagt. In dem Haushaltsentwurf der
Ampelregierung für dieses Jahr lagen laut Frühjahrsgutachten 20,5 Milliarden Euro über dem Schwellenwert und könnten in Zukunft schuldenfinanziert werden. Diese Summe würde im Bundeshaushalt auf einen Schlag frei.
Doch auch durch das Sondervermögen dürften im Bundeshaushalt
Mittel frei werden. Denn die Investitionsquote für den Kernhaushalt ist recht niedrig
gesetzt. Falls alle laut Finanzplan des Bundes vorgesehenen Investitionen, die
darüber hinausgehen, künftig aus dem Sondervermögen finanziert werden, ergäbe
sich für die Jahre 2025 bis 2028 ein finanzieller Spielraum von
29,4 Milliarden Euro im Kernhaushalt des Bundes, rechnen die Wirtschaftsweisen
vor. Das wären pro Jahr 7,3 Milliarden
Euro, die verschoben werden könnten. Vorausgesetzt, Union und
SPD halten sich an die vereinbarte Investitionsquote.