Nach Brexit
Das ist der Deal, auf den sich EU und Großbritannien geeinigt haben
Großbritanniens Premierminister Keir Starmer und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Wiederannäherung nach dem Brexit
© Leon Neal / Picture Alliance
Großbritannien und die EU wollen ein neues Kapitel aufschlagen: In den frühen Morgenstunden einigten sich Verhandler beider Seiten auf einen Deal. Was steht darin?
Es war ein Wahlversprechen von Premierminister Keir Starmer: Er wolle zwar keinen Wiedereintritt in die Europäischen Union, aber einen „Reset“. Die zerrüttete Beziehung zwischen Großbritannien und der EU sollte nach dem Brexit einen Neustart erfahren. Zu diesem Zweck hatten Vertreter des Staatenverbunds und der Labour-Regierung schon lange über einen neuen Deal verhandelt.
Nun, pünktlich zum Start eines Gipfels in London mit Starmer, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa, gelang ein Durchbruch. Wie die „Financial Times“ zuerst berichtete, einigten sich die Verhandler in den frühen Morgenstunden auf die Grundzüge eines Deals. Die 27 Mitgliedsstaaten billigten das Papier am Morgen, es dürfte noch am Montag unterschrieben werden. Die britische Regierung wirbt damit, der Deal mache Lebensmittel billiger und werde der heimischen Wirtschaft 9 Mrd. Pfund einbringen. Aber was genau steht darin?
Fischerei und Landwirtschaft
In Großbritannien sorgt das Thema Fischerei für die hitzigsten Diskussionen. Die EU und das Vereinigte Königreich haben vereinbart, Fischern für zwölf weitere Jahre wechselseitig Fangrechte in den jeweiligen Gewässern zuzugestehen. Damit wird der derzeitige Zustand bis 2038 verlängert. In Großbritannien ist das Thema ein Politikum, aus der konservativen Opposition bekam der britische Premier daher schnell heftige Kritik. Der schottische Schatten-Staatssekretär Andrew Bowie nannte den Fischereideal auf „X“ eine „Kapitulation“.
Im Gegenzug soll ein Abkommen geschlossen werden, das Lebensmittel- und Landwirtschaftsexporte erleichtert. Dabei soll Bürokratie wegfallen, die bisher britische Exporte von Tieren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen erschweren. Um welche Vorgaben und Kontrollen es dabei konkret geht, ist noch nicht klar. Anders als der Zugang zu britischem Gewässer ist dieses Zugeständnis zeitlich nicht begrenzt.
Verteidigung und Cybersicherheit
Im Mittelpunkt des Deals stehen allerdings nicht die Fische, sondern die Themen Sicherheit und Verteidigung. Die Vereinbarung öffnet britischen Unternehmen die Tür, an EU-Beschaffungsprogrammen teilzunehmen. Auf EU-Ebene wird derzeit noch darüber verhandelt, inwieweit britische Rüstungsunternehmen am EU-Finanzierungsinstrument „Safe“ beteiligt werden können. Dabei geht es um ein Darlehen in Höhe von 150 Mrd. Euro, mit dem zum Beispiel Luftverteidigungssysteme und Artillerie beschafft werden sollen. Grundsätzlich sei eine Zusammenarbeit bei Themen wie hybrider Kriegsführung, Cybersicherheit und Resilienz von kritischer Infrastruktur vereinbart worden, schreibt das Portal „Politico“.
Bei der inneren Sicherheit soll Großbritannien künftig mehr Zugang zu EU-Datenbanken mit Informationen über Fingerabdruck und DNA von Nicht-EU-Bürgern erhalten. Das soll helfen, illegale Migration zu bekämpfen. Außerdem erwähnt der Deal die „potenzielle“ Nutzung der E-Gates für britische und EU-Bürger bei der Einreise ins jeweils andere Land.
Energie und Klimaschutz
Bei der Energie kommt Großbritannien der „Breunion“ deutlich näher als in anderen Bereichen. Demnach haben sich beide Seiten darauf geeinigt, zu untersuchen, wie Großbritannien dem Elektrizitäts-Binnenmarkt der EU beitreten kann. Dafür soll das Königreich auch die Aufsicht des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren.
Auch beim EU-Emissionshandel und den CO₂-Grenzzöllen (CBAM) kommen sich die EU und Großbritannien näher. Die Vertragspartner wollen die Regeln von EU und Vereinigtem Königreich miteinander verknüpfen. Ziel ist es, Handelsgüter zwischen beiden Ländern von Abgaben zu befreien.
Kehrt Großbritannien zurück ins Erasmus-Programm?
Großbritannien will auch weiterhin kein Erasmus-Programm für Austauschstudierende anbieten. Die Verhandler haben sich aber darauf geeinigt, auf ein „Youth Mobility Scheme“ hinzuarbeiten. Wie dieses aussehen soll, wollen EU und Großbritannien in künftigen Verhandlungen klären. Für London ist das Thema heikel, weil die britische Regierung fürchtet, ein zu großzügig ausgelegtes Abkommen könnte letztlich wieder zur Freizügigkeit zwischen EU und Großbritannien führen.