Die Wehrbeauftragten des Bundestags horchen in die Bundeswehr hinein, machen Truppenbesuche, suchen das Gespräch mit Soldatinnen und Soldaten. Heute soll CDU-Politiker Otte das Amt übernehmen.
Die Bundeswehr wird auch Parlamentsarmee genannt. Damit ist unter anderem gemeint, dass der Bundestag etwa über Auslandseinsätze entscheiden darf. Alleingänge der Regierung sind in der Regel nicht möglich. Zum Konzept der Parlamentsarmee gehört auch das Amt des Wehrbeauftragten. Inoffizieller Titel: Anwalt der Soldatinnen und Soldaten.
In den zurückliegenden fünf Jahren hatte Eva Högl das Amt inne. In dieser Zeit hat sich die SPD-Politikerin den Ruf erworben, den Interessen der Soldatinnen und Soldaten mit großem Einsatz Gehör zu verschaffen. Von einer sehr guten Zusammenarbeit mit Högl spricht etwa die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Sie habe Högl als überaus engagiert wahrgenommen, so Nanni.
Högl: „Bundeswehr hat von allem zu wenig“
Immer wieder monierte Högl eine unzureichende Ausstattung der Bundeswehr, beispielsweise bei der Vorstellung ihres aktuellen Jahresberichts im März. „Die Bundeswehr hat nach wie vor von allem zu wenig“, sagte sie damals. Dann zählte Högl auf, was aus ihrer Sicht alles fehlt: etwa Munition und Ersatzteile.
Högl brachte es im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben auf 100 Truppenbesuche. Eine gute Möglichkeit, ins Gespräch mit Soldatinnen und Soldaten zu kommen. Solche Besuche sind auch unangemeldet möglich, damit sich die Wehrbeauftragte ein ungeschöntes Bild von der jeweiligen Kaserne machen kann.
Otte sitzt seit 2005 im Bundestag
Nun also soll Högl vom CDU-Abgeordneten Henning Otte abgelöst werden. So haben es Union und SPD vereinbart. Heute steht die Wahl im Bundestag an.
Der Niedersachse Otte gehört dem Parlament seit rund 20 Jahren an. Als Verteidigungspolitiker kennt er sich mit dem Großgerät der Bundeswehr aus und kann beispielsweise Vorteile bestimmter Kampfpanzer mit Blick auf deren Feuerkraft benennen. In jungen Jahren ließ sich Otte in seiner Heimatstadt Celle zum Reserveoffizier ausbilden.
Immer wieder holte der 56-Jährige das Direktmandat im Wahlkreis Celle-Uelzen, auch bei der zurückliegenden Bundestagswahl im Februar. Im Parlament zählt er zu denen, die von Anfang an klar für die militärische Unterstützung der Ukraine eintraten. Kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs stellte Otte fest: „Hier geht es um die Souveränität der Ukraine, hier geht es um das nackte Überleben der Ukraine im Kampf gegen Putins Angriffskrieg.“
Designierter Wehrbeauftragter gut in Branche vernetzt
Allerdings hat die Waffenhilfe für das angegriffene Land zunächst Lücken bei der Bundeswehr gerissen. Diese müssen nach und nach mit neuem Material der Rüstungsindustrie gefüllt werden.
Otte gilt als ein Abgeordneter, der in der Branche gut vernetzt ist. Bis zum Herbst 2023 war der CDU-Politiker ehrenamtlich als Vizepräsident des Förderkreises Deutsches Heer tätig. Ein Verein, in dem Politik und Wirtschaft zusammenkommen.
Die Linke im Bundestag wirft Otte eine zu große Nähe zur Rüstungsindustrie vor, wie Parteichef Jan van Aken dem ARD-Hauptstadtstudio sagt. Grundsätzlich würde er auch jemanden aus einer anderen Partei bei der Wahl zum Wehrbeauftragten unterstützen, so der Abgeordnete der Linken. Vorausgesetzt, der Bewerber setze sich nach seinem Eindruck wirklich für die Interessen der Soldaten ein. „Das sehe ich bei Herrn Otte überhaupt nicht“, so van Aken.
Mit den Stimmen der Linken könne Otte also nicht rechnen. Wenn die schwarz-rote Mehrheit steht, braucht Otte allerdings keine Unterstützung aus anderen Fraktionen.
Grüne begrüßen Nominierung von Otte
Dessen ungeachtet bewerten die Grünen das Verhältnis des CDU-Politikers zur Industrie anders als die Linken. Die Verteidigungspolitikerin Nanni geht davon aus, dass sich Otte „nicht vor den Karren spannen lassen wird“. Im Gegenteil werde er „genau darauf achten“, dass die Industrie bestellte Rüstungsgüter auch liefert, so die Abgeordnete der Grünen. In der Vergangenheit kam es bei militärischen Großprojekten immer wieder zu Verzögerungen.
Finanziell kann Schwarz-Rot bei Rüstungsprojekten aus dem Vollen schöpfen. Die Koalition hat im Rahmen der Regierungsbildung Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen – gemeinsam mit den Grünen. Doch Material ist nicht alles: Als mindestens genauso dringlich gilt in Sicherheitskreisen das Personalproblem der Bundeswehr.
Schwarz-Rot plant neues Wehrdienstmodell
Angestrebt wird eine Truppenstärke von mehr als 200.000 Männern und Frauen – plus Reserve. Ein Ziel, von dem die Bundeswehr mit aktuell rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten weit entfernt ist. Union und SPD wollen demnächst ein Wehrdienstmodell durch Kabinett und Bundestag bringen. Für Otte könnte sich damit die Möglichkeit bieten, erste Akzente in seiner voraussichtlichen neuen Funktion zu setzen.
Klar ist: Für seine Hobbys Fußball und Jagd dürfte der vierfache Familienvater in den kommenden Jahren noch weniger Zeit haben. Stören wird ihn das aber wohl nicht. Sollte er heute wie geplant zum neuen Wehrbeauftragten gewählt werden, wäre es der bisherige Höhepunkt seiner politischen Laufbahn.