Auch wenn das Geschäft mit alter Kunst nicht mehr so berauschend blüht wie früher, ein Hingucker ist die barocke Pracht allemal. Erst recht, wenn sie mit guter Sammlerprovenienz en bloc unter den Hammer kommt.
Es war der Charme von Venedig, der die Sammelpassion von Jordan und Thomas Saunders entzündete. Der sonnenflirrende Blick auf die Insel Giudecca mit der Redentore-Kirche, den Francesco Guardi um die Jahreswende 1757/58 gemalt hatte, begeisterte das Ehepaar so sehr, dass die Amerikaner das Bild 1998 bei Sotheby’s in New York einfach ersteigern mussten.
Beginn einer intensiven Einkaufstour: Innerhalb der nächsten drei Jahre füllten der Banker und seine Frau die Wände ihres gerade erstandenen dreigeschossigen Apartments in Manhattan mit Gemälden des 16. bis 19. Jahrhundert. Ihr Kriterium war: das Beste seiner Art – in bestem Zustand.
Am 21. und 22. Mai 2025 werden 56 Bilder aus der „Saunders Collection“ bei Sotheby’s in New York zur Versteigerung aufgerufen. Eine hochkarätige Einzelsammlung gilt als heiliger Gral im Auktionsgeschäft. Besonders bei den Alten Meistern, von denen zunehmend weniger Werke höchster Qualität angeboten werden. Mit einer Schätzung von 80 bis 120 Millionen Dollar erhofft sich das Auktionshaus eine kräftige Energiespritze für diesen Sektor mit einem hohen Erlös für eine Einzelsammlung. Für viele Werke liegen Garantien vor, das bedeutet, ihr Verkauf ist sichergestellt – zu einem festgelegten Mindestpreis, der freilich gern überboten werden kann.
Schulden, Scheidung, Tod
Erfolgreiche Auktionen alter Kunst sorgen immer noch für Furore: etwa vor zwei Jahren, als zehn Barockgemälde des Ehepaars Fisch Davidson nach dessen Scheidung für insgesamt 76 Millionen Dollar einen Käufer fanden – darunter Rubens’ „Porträt eines Mannes als Mars“ für 26 Millionen. Im Versteigerungsgeschäft wird ein solcher hundertprozentiger Ausverkauf als „White Glove“-Auktion bezeichnet.
Wenn eine gesamte Sammlung unter den Hammer kommt, gelten häufig die schicksalhaften drei D als Auslöser: debt (Schulden), divorce (Scheidung), death (Tod). Und als Thomas Saunders vor drei Jahren starb, galt es eben, das Erbe zu regeln. Deshalb kommen nun Stillleben, Landschaften und Porträts von milder Schönheit, Eleganz und Detailfreude nach gut 25 Jahren zurück auf den Markt.
Der größte Sammler-Coup der Saunders’ war wohl der Kauf von sieben Gemälden aus der renommierten Hornstein-Sammlung. Der vor dem Holocaust aus Polen nach Kanada geflohene Michal Hornstein hatte als erfolgreicher Immobilienunternehmer bedeutende Altmeistergemälde gesammelt. Als er sich von einigen wieder trennen wollte, arrangierte der Sotheby’s-Experte George Wachter kurzfristig einen Besuch in Montreal.
So kam das Ehepaar Saunders 1999 in einem Privatverkauf an das „Künstleratelier mit schreibendem Mann“ von Gerrit Dou, das jetzt auf fünf bis sieben Millionen Dollar geschätzt ist und zwei kleine, rautenförmig gefasste Bildnisse musizierender Kindern von Frans Hals. Das Letztere auf hohe sechs bis acht Millionen Dollar taxiert sind, hat wohl auch mit ihrer Präsenz in der höchst populären Frans-Hals-Ausstellung zu tun, die kürzlich in London, Amsterdam und Berlin gastierte.
Schätzpreise gehen in die Millionen
An den modernen Geschmack mögen besonders Adriaen Coortes beliebtes Motiv der in einem chinesischen Wangli-Gefäß aufgehäuften Walderdbeeren von 1704 appellieren (Schätzpreis 2,5 bis 3,5 Millionen Dollar). Wie auch das Stillleben des Spaniers Luis Meléndez aus den späten 1760er-Jahren mit einem vor Küchenutensilien gelagerten Blumenkohl – virtuos hyperrealistisch gemalt (5 bis 8 Millionen Dollar). Von diesem Werk trennte sich Hornstein damals allerdings höchst ungern und nur unter der Bedingung, dass es nicht auf die Schnelle wieder verkauft würde. Die Saunders’ hielten sich daran.
Den höchsten Zuschlag erwartet Sotheby’s für Jan Davidsz de Heems prachtvolles, aus einem Glaskrug quellendes Blumenarrangement, das von einer orangegelben Sonnenblume, dem Symbol für das niederländische Haus von Oranien-Nassau, überstrahlt wird. Ebenfalls dank der Vermittlung von George Wachter wechselte das Meisterwerk von 1674 für damals 5,5 Millionen Dollar aus Rom nach New York – Auktionsrekord für ein Gemälde von de Heem. Jetzt wird es auf acht bis zwölf Millionen Dollar geschätzt.
Ein völlig verschmutztes Bild wiederum, das von dem britischen Kunsthändler Peter Nahum in einer Scheune in Connecticut entdeckt worden war, entpuppte sich nach seiner Reinigung als eine von blauem Himmel überwölbte brasilianische Landschaft des Niederländers Frans Post, der sich auf dem Markt sehr rar macht. 1998 wurde es von den Saunders’ für 2,2 Millionen Dollar erworben, nun liegt bereits die Taxe für das Bild aus dem Jahr 1665 schon sechs bis acht Millionen Dollar. Hier peilt Sotheby’s einen Rekordpreis für den weit gereisten Haarlemer Maler an.
Kaufinteresse aus Großbritannien könnte das charmante Bildnis von „Miss Julia Peel“ von 1827 reizen. Thomas Lawrence stellte die junge Tochter des damaligen Premierministers Robert Peel in einem präsentabel roten Samtkleid dar und platzierte einen ebenso dekorativen Spaniel in ihren Schoß. Jetzt wirbt das Gemälde für einen Zuschlag im Bereich von sechs bis acht Millionen Dollar.
Solche von Auktionshäusern eingefädelte „Transaktionen“, wie sie auch bei diesem Werk 1999 stattfand, nahmen in den vergangenen Jahren stark zu. Diskreter und flexibler als öffentliche Auktionen konnten diese „private sales“ im Feld der Alten Meister im Jahr 2024 bei den beiden Marktführern Sotheby’s und Christie’s eine Steigerung von rund 40 Prozent gegenüber 2023 verzeichnen. Die einschlägigen Auktionsergebnisse gingen im gleichen Zeitraum um 44 Prozent zurück. Und während es sich bei den Privatverkäufen mutmaßlich immer wieder um die wertvollsten Stücke handelt, wurden im vergangenen Jahr bei öffentlichen Auktionen nur drei Altmeistergemälde (von Tizian, Botticelli und Quentin Massys) mit Resultaten über zehn Millionen belohnt. Alle drei beeindruckten mit religiösen Sujets.
In der kommenden Saunders-Auktion reichen die Taxen von 40.000 Dollar bis zu 10 bis 15 Millionen Dollar für zwei große Venedig-Veduten von Francesco Guardi, die von dem Sammlerpaar im Jahr 2000 für 5,6 Millionen Dollar ersteigert wurden. Die hohen Erwartungen, die teilweise Rekorde brechen dürften, erklärt George Wachter, der bei Sotheby’s mittlerweile Chairman für das Nord- und Südamerika-Geschäft ist, so: In den vergangenen Jahren hätte man viele private Angebote abgelehnt, gleichwohl würden Preisvorstellungen aus diesen Offerten die Taxierungen beeinflussen und damit auch die Auktionsergebnisse. So habe man, laut Wachter, schon acht Millionen Dollar für das Meléndez-Stillleben und um zehn Millionen Dollar für die brasilianische Vedute von Frans Post angeboten bekommen.
Für etwas längeren Atem werden Altmeisterkäufer, wenn sie wieder verkaufen, durchaus belohnt. Das könnte sogar für den Guardi’schen Redentore-Blick gelten, mit der diese Sammlung ihren Anfang nahm. Von den Saunders’ vor 27 Jahren für 1,3 Millionen Dollar ersteigert, hoffen ihre Erben nun auf mindestens das Dreifache.
„Masterpieces from the Collection of Jordan and Thomas A. Saunders III“, am 21. und 22. Mai 2025 bei Sotheby’s in New York