Einschätzung
Der NIU MQiX 500 ist ein moderner A1-Roller mit guter Ausstattung und kraftvollem Motor. Die App ist praktisch, unter den Sitz passt sogar ein Helm. Die Lichtsignatur ist modern und das Design zeitgemäß. Bis dahin hätten wir nichts zu meckern, aber die ruppige Gasannahme verdirbt den ganzen Spaß. Doch die Hoffnung bleibt: Per Software-Update sollte die Abstimmung zu retten sein. Die Voraussetzungen sind schon in der App gegeben, aber die Umsetzung klappt (noch) nicht.
Pro
- Informatives Cockpit, praktische App
- ABS und TCS
- Starke Fahrleistungen
- Großer Stauraum
- Akkus zum Laden entnehmbar
Kontra
- Ruppige Gasannahme
- Keine Navigation auf dem Dashboard
Edit 20.5.2025: Mich hat das Feedback von Lesern erreicht, die meine Probleme mit der Dosierbarkeit der Gasannahme nicht nachvollziehen können und sehr zufrieden mit der Fahrbarkeit sind. Ich kann also nicht ausschließen, dass es sich um einen spezifischen Fehler des Testfahrzeugs handelt.
Der NIU NQiX 500 in seinem natürlichen Lebensraum: vor der Eisdiele.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Elektroroller sind effizient, beanspruchen wenig Verkehrsraum und sind wegen des nahezu lautlosen Betriebs besonders sozialverträglich. sollen die Dinger eigentlich superleicht zu fahren sein. Sofern ich nicht jegliches Feingefühl verloren habe, ist die Abstimmung des 4.500-Euro-Elektrorollers NIU NQiX 500 unangenehm ruppig. Aber der Reihe nach …
Das Frontschild hält per Magnet und Gummihalterungen und lässt sich für Wartungszwecke entfernen. Die Seitenpaneele sind austauschbar. Irgendjemand wird ausprobieren, ob die Teile spülmaschinenfest sind …
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Das Fach unter dem Sitz bietet Raum für einen Helm.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Wer darf ihn fahren?
Beim NIU NQiX 500 handelt es sich um ein Leichtkraftrad, früher auch 125er genannt. Zum Fahren braucht man heute einen A1-Führerschein oder die Schlüsselzahl B196 im Schein, die man nach erfolgter Schulung bekommt, wenn man mindestens 25 Jahre alt und seit fünf Jahren im Besitz der Fahrerlaubnisklasse B ist.
Bedienung, Anzeige und App
Cool: Sie entriegeln per App, automatisch per Handy oder mit der Codekarte. Der Schlüssel ist zum Losfahren nicht nötig.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Wer sein Handy mit der guten NIU-App gekoppelt hat, muss sich nur nähern, um den Roller per Knopfdruck zu starten. Alternativ gibt es eine Schlüsselkarte. Zum Starten genügen ein Druck auf die Fernbedienung und ein Tipper auf die Starttaste am Lenkrad. Auch die Entriegelung der Sitzbank klappt per Doppelklick am Startknopf oder über die App.
Nach dem Hochboosten in der App ist das Display auch bei Sonnenschein gut ablesbar. Die Bedienung erfolgt über einen Dreh-Drück-Steller.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Statt einer Smartphonehalterung kommt ein 5-Zoll-Display mit einer ansprechenden Grafik zum Einsatz. Wenn man die Helligkeit aufdreht, ist es auch bei Sonnenschein gut absehbar. Die Bedienung wird durch die dreh- und drückbare NIU Link Crown ermöglicht. Sie rastet sauber ein und gibt ein gutes Feedback bei der Bedienung. Um alle Einstellungsmöglichkeiten auszuloten, ist die übersichtliche NIU-App nötig.
Screenshots aus der NIU-App.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
So können Sie sogar vom Sofa aus den Standort oder den Ladezustand überprüfen, an den Einstellungen feilen und sich beispielsweise andere Töne aussuchen. Außerdem gibt es Push-Nachrichten aufs Handy, wenn am Roller gewackelt wird oder die Sitzbank offen ist. Sie können den Roller oder das Staufach auch einfach aus der Ferne freigeben. Fahrten können Sie später detailliert nachvollziehen und sich Strecke, Durchschnittsgeschwindigkeit und Verbrauch ansehen. Abgesehen vom Weg zum nächsten NIU-Händler habe ich aber keine Möglichkeit entdeckt, über das gekoppelte Handy in der Tasche auf dem Display zu navigieren. Ansonsten bietet die App einen echten Mehrwert und ist nicht nur eine App, damit es eine App gibt.
Die LED-Beleuchtung verleiht dem NIU NQiX 500 einen modernen Auftritt und sorgt für gute Sichtbarkeit.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Der Motor leistet kurzzeitig bis zu 9.900 Watt.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
(Zu viel) Power?
Der NIU NQiX 500 ist 1,93 Meter lang und hat eine Sitzhöhe von 81 Zentimetern.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Der regt mich so auf!!!
Bereits 1994 hob Reifenhersteller Pirelli den markigen Werbespruch „Power is nothing without control“ aus der Taufe. 31 Jahre später scheint der elektrifizierte NIU NQiX 500 die Notwendigkeit zu unterstreichen. Im ersten Moment ist man begeistert vom Antritt. Aber beim Fahren geht es nicht immer ums maximale Beschleunigen. Manchmal möchte man auch nur die Geschwindigkeit halten. Hier beginnen meine Probleme mit dem NIU NQiX 500: Der Drehgriff hat einen bestimmten Weg, den er abbilden kann. Die ersten drei Zentimeter ab Nullstellung passiert nichts, dann hat man (gefühlt und nicht gemessen) einen halben Millimeter, um zwischen null und Vollgas zu jonglieren, obwohl der Weg noch sieben Zentimeter lang wäre. Es fühlt sich im nervigen Sinne digital an: kein Strom – oder Vollstrom. Sie denken sicher: Der ist einfach zu blöd zum Fahren. Das mag sein, aber derlei Probleme hatte ich noch nie, auch nicht bei anderen NIU-Rollern, ganz im Gegenteil.
Die bisherigen NIUs hätte ich einhändig fahren und mit der anderen Hand Fotos machen können, während ich kontrolliert beschleunige oder eine Geschwindigkeit halte. Mit dem NIU NQiX 500 traue ich mich das nicht. Schon kleine Bodenunebenheiten finden ihren Weg über den Drehgriff und geben das ungewollte Kommando „Volle Fahrt voraus!“. Klingt lustig, ist es aber nicht. Eine langsame Kurvenfahrt, behutsames Anfahren oder langsam hinter einem Auto herfahren, das alles verlangte mir höchste Konzentration ab und verdarb mir den Fahrspaß. Ich betone: Das ist mein persönlich Eindruck und ich schildere das so drastisch, weil ich es als drastisch empfunden habe. Dabei kann es der NQiX 500 eigentlich besser: Im Wet- oder Eco-Modus fährt er kontrolliert an und hält die Geschwindigkeit. Eine Lösung ist das allerdings nicht, denn der Eco Modus beschränkt die Höchstgeschwindigkeit auf 28 km/h, der Wet Modus lässt etwa 60 km/h zu, der Dynamic Modus erhöht unwesentlich auf 68 km/h. In der App kann man sich einen Custom Driving Mode mit persönlichem Ansprechverhalten bauen. Stark ansteigende Kurven oder Geraden oder schwach ansteigende Kurven … ich habe alles ausprobiert, gespeichert, übertragen und Probe gefahren. Der Roller quittiert den Eingang der neuen Abstimmung mit einem Geräusch, auch die App zeigt die erfolgreiche Übertragung an.
Ich habe wirklich viel ausprobiert und bin damit gefahren, aber alle meine Bemühungen im Custom Driving Mode haben mich nicht überzeugt.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Im Prinzip ist also vorgesorgt. Doch alle Versuche ließen mich unzufrieden zurück. Es bleibt eine Frage der Applikation. Sogar Firmware-Updates sind Over The Air möglich. Letztlich bin ich zurück auf den Sport Modus, weil der die Höchstgeschwindigkeit zulässt und ich dort wenigstens die Gewissheit hatte, die Leistungsentfaltung nicht unbeabsichtigt zu verschlechtern. Schade, denn ansonsten fährt sich der 128 Kilogramm schwere NIU NQiX 500 leichtfüßig und ruhig. Die Federn federn, die Bremsen bremsen – dank ABS sogar im Sand ohne zu blockieren.
ABS und TCR leisteten sogar auf losem Untergrund gute Arbeit.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
NIU NQiX 500: Laden und Kosten
Das ist natürlich nur gestellt: Laden klappt nur an einer Haushaltssteckdose.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Der Akku besteht aus zwei je 12,4 Kilogramm schweren Blöcken, die nicht mehr den Platz unter der Sitzbank belegen, sondern unterm Trittbrett stecken. Das senkt den Schwerpunkt und macht Platz für das Helmfach. Dort befindet sich auch der Ladeanschluss, der sich über beide Akkus gleichzeitig laden lässt. Wenn Sie vor Ort keine Steckdose haben, lassen sich die Akkus entnehmen und mit dem Netzteil laden. Die Gesamtkapazität beträgt 2×28 Amperestunden (Ah), die Spannung liegt bei 72 Volt. Das ergibt 4,032 kWh. In der App kann das Ladetempo in drei Stufen auf bis zu 840 Watt erhöht und zusätzlich das Lademaximum zwischen 80 und 100 Prozent definiert werden. Rechnerisch dauert das Laden von 20 auf 80 Prozent etwa drei Stunden. Bei 32 Cent pro Kilowattstunde kostet eine komplette Ladung selbst mit Ladeverlusten nicht mal 1,50 Euro. Der Hersteller verspricht eine Reichweite von 90 bis 100 Kilometer. Mit Autobahn-Vollgasfahrten schafft man das nicht, aber in der Stadt ist das möglich. Die Rekuperation hilft doppelt: hinsichtlich der Fahrbarkeit und der Effizienz. Zwar ist die Rekuperation nicht so stark, dass man auf die Bremse verzichten könnte, aber ohne rollt der Roller ewig. Die Rekuperation lässt sich unabhängig von der Gasannahme regeln.
Der Ladeanschluss befindet sich im Staufach. Die entnehmbaren Akkus verstecken sich unter dem Trittbrett.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Die 90/90-Reifen kommen im 14-Zoll-Format, die hydraulische Scheibenbremse hat einen Durchmesser von 240 Millimetern.
Foto: COMPUTER BILD / Michael Huch
Test-Fazit: NIU NQiX 500
Die technischen Voraussetzungen sind prima, Power ist massig vorhanden und auch Verarbeitung, Design, Raumangebot, Fahrverhalten und Sicherheitsfunktionen wie ABS und TCR stimmen. Dazu kommen eine praktische und logisch aufgebaute App und ein schickes Dashboard mit guter Ablesbarkeit und Bedienung. Wäre da nicht der Konflikt zwischen der gebotenen Leistungsentfaltung und meinen Vorstellungen, hätte ich den NIU NQiX 500 als „sehr gut“ bewertet. Interessenten sollten sich unbedingt ein eigenes Bild bei einer Probefahrt machen. Denn von der Applikation der Leistungsentfaltung abgesehen ist der NIU NQiX 500 ein prima E-Roller. Und das Problem ist per Update zu lösen. Vorher werden wir aber keine Freunde.