Soll Panik geschürt werden?
Israelis erhalten offenbar Anrufe mit Schreien von Geiseln
24.05.2025, 14:14 Uhr
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Schon fast 600 Tage bangt Israel um die von der Hamas verschleppten Geiseln. Viele Entführte sind tot, die noch lebenden einem Martyrium ausgesetzt. Seltsame Telefonate verstärken nun die Sorgen um die Verschleppten.
Zahlreiche Menschen in Israel haben nach übereinstimmenden Medienberichten in den vergangenen Stunden Anrufe erhalten, bei denen Aufnahmen von Schreien von Geiseln im Gazastreifen zu hören gewesen sein sollen. Neben den angeblichen Schreien der festgehaltenen Geiseln seien auch Explosionen und das Heulen von Sirenen zu hören gewesen, berichtete die Nachrichtenseite „Ynet“. Die Anrufe seien von unbekannten Nummern abgesetzt worden.
Das Forum der Geiselfamilien in Israel teilte mit, ebenfalls Berichte über jene Anrufe erhalten zu haben. Nach Angaben des Forums handelt es sich bei den abgespielten Aufnahmen um Aufzeichnungen aus Geiselvideos der Hamas, die die Terrororganisation zuletzt verbreitet hatte. Das Forum betonte in einer Mitteilung, die Anrufe seien nicht in seinem Auftrag getätigt worden.
Wie die Zeitung „Haaretz“ berichtete, waren bei einigen Anrufen auch Stimmen zu hören, die zu einem raschen Geiseldeal aufriefen. Nach israelischen Angaben werden derzeit noch 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. Bei drei weiteren Entführten ist unklar, ob sie noch leben. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten dort. Die Verhandlungen mit der Hamas über ein Abkommen zur Geiselfreilassung sind ins Stocken geraten.
Die israelische Cyberdirektion leitete einem Bericht des Fernsehsenders N12 zufolge eine Untersuchung wegen der von Israelis empfangenen Anrufe ein. „Die Cyberdirektion betont, dass es sich dabei um Versuche handelt, Panik in der Bevölkerung zu schüren“, zitierte N12 aus einer Mitteilung der Behörde.
Guterres sieht „grausamste Phase“
UN-Generalsekretär António Guterres sprach indes von der wohl „grausamsten Phase“ in dem seit mehr als anderthalb Jahren andauernden Krieg. Damit bezog er sich auf das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen. „Die gesamte Bevölkerung Gazas ist von einer Hungersnot bedroht. Familien müssen hungern und ihnen wird das Nötigste vorenthalten – und das alles vor den Augen der Weltöffentlichkeit“, sagte er. Die Hilfe, die seit einigen Tagen wieder in den Gazastreifen kommt, reicht laut Helfern längst nicht aus.
Israel hatte Anfang der Woche eine fast dreimonatige Blockade humanitärer Hilfe gelockert. 400 in den vergangenen Tagen zugelassene Lkw-Ladungen seien nur ein „Teelöffel“ der nötigen Hilfe, sagte Guterres. Benötigt werde eine „Flut“ an Gütern. Am Freitag seien weitere 83 unter anderem mit Mehl und Medikamenten beladende Lkw über den Grenzübergang Kerem Schalom in Gaza eingetroffen, teilte Israels zuständige Behörde Cogat mit. Nötig wären jedoch nach UN-Angaben täglich mindestens 500 bis 600 Lastwagenladungen.
Israels Armee setzte derweil ihre Angriffe in Gaza fort. Dabei soll es nach palästinensischen Angaben erneut viele Opfer gegeben haben. Am Donnerstag seien mehrere Terroristen „eliminiert“ und militärische Einrichtungen getroffen worden, teilte die Armee mit. Die Luftwaffe habe mehr als 75 Ziele attackiert. Die Angaben beider Seiten lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war der Terrorüberfall der Hamas und anderer Terrororganisationen aus Gaza am 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seit Kriegsbeginn kamen in Gaza laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 53.800 Menschen ums Leben. Die Behörde unterscheidet dabei nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.