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Offshore-Windparks könnten zum Ziel von Sabotage werden. Bisher sind die Betreiber selbst für den Schutz zuständig. Experten fordern: Der Staat muss mehr Verantwortung übernehmen.
Seit Monaten werden in der Ostsee Gaspipelines, Strom- und Datenkabel zerstört. Auffällig häufig in der Nähe: Schiffe der russischen Schattenflotte. Auch auf Offshore-Windparks könnte es Angriffe geben – auch von staatlichen Akteuren. Bisher sind die privaten Betreiber für den Schutz der Windparks zuständig.
Eine unlösbare Aufgabe, sollten staatliche Akteure aus dem Ausland angreifen. Dafür braucht es neue Strategien. „Es muss verstanden werden, dass aus russischer Perspektive klar kommuniziert wird, dass man sich hier bereits in einem strategischen Konflikt mit Europa, der NATO und somit auch der Bundesrepublik Deutschland befindet“, sagt Julian Pawlak von der Universität der Bundeswehr in Hamburg.
Geopolitische Herausforderungen
In der Universität der Bundeswehr Hamburg wirft Pawlak eine Karte an die Wand. Zu sehen sind jetzt die bereits existierenden und die geplanten Windparks in der Nordsee. Deutschland will 2030 insgesamt 30 Gigawatt Strom in Nord- und Ostsee produzieren. Das entspricht circa der Leistung von 20 Atomkraftwerken.
Der Bundeswehr-Experte für den Schutz maritimer Infrastruktur kennt die potentiellen Risiken. Auf der Karte als grüne Punkte eingezeichnet: Konverterstationen. Das sind bis zu 50 Meter hohe riesige Blöcke, häufig in leuchtendem Gelb gestrichen. Sie stehen in den Windparks auf vier Füßen und sind bis zu 2,5 Milliarden Euro teuer. Diese Konverterstationen wandeln den Strom eines Windparks, bevor er über Kabel auf dem Meeresgrund an Land transportiert wird. Es sollten Abschreckungsmaßnahmen entwickelt werden, um staatliche Saboteure davon abzuhalten, sie anzugreifen, so der Bundeswehr-Experte.
Windparks sind Sperrgebiete
In Berlin klappt Start-up-Gründerin Diana S. Engelhard ihr Laptop auf. Zu sehen sind jetzt Bilder eines Vortrags, den sie bei der jüngsten internationalen Konferenz für maritime Sicherheit gehalten hat, um ihre Geschäftsidee vorzustellen. Bilder kleiner, schwarzer Boote. Sie sind unbemannt, fahren also ohne Besatzung und könnten dauerhaft um die wertvollen Konverterstationen der Windparks herum platziert werden – und damit als Abschreckungsmaßnahme fungieren, erklärt die Start-up-Gründerin.
Nähert sich ein Schiff einem Windpark, ist das verdächtig. Windparks sind Sperrgebiete. Die unbemannten Boote würden in einem solchen Fall Warnschüsse abgeben. Reagiert die Besatzung des Schiffes darauf nicht, wird ein auf den Booten platziertes Waffensystem eingesetzt.
Boote, die im Schwarm agieren
Das verdächtige Schiff kann durch einen Schuss ins Ruder von seinem Kollisionskurs abgebracht werden. Um einen vorsätzlichen Sabotageakt eines staatlichen Akteurs abzuwenden, der mit mehreren Schiffen gleichzeitig operiert, können die unbemannten Boote auch von den einzelnen Konverterstationen abgezogen werden und dann als Schwarm agieren. Die Boote vor Ort können auch Informationen sammeln und an das Lagezentrum, an das Militär und die GSG9 weitergeben.
Dort können dann Entscheidungen getroffen werden, was vor Ort weiter geschehen soll, erklärt Engelhard. Die aktuelle geopolitische Lage ist für sie ein Neumischen der Karten im globalen Wirtschaftssystem. Es gehe bestimmten Akteuren darum, die fossile Energieversorgung so lange wie möglich als Geschäftsmodell zu erhalten. Dafür würden sie die Bedingungen für neue, erneuerbare Energiesysteme stören. Wer das zulasse, setze dem größten Problem – dem Klimawandel – nichts entgegen, so die Start-up-Gründerin.
Hybrider Krieg kann Energiewende verzögern
Autokraten wie Putin hätten ein Interesse daran, Unsicherheit bei Investoren zu streuen. Das sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore e.V. Stefan Thimm in der Berliner Geschäftsstelle mit Blick auf die Spree. Der hybride Krieg dürfe auf keinen Fall dazu führen, weniger schnell energieautark zu werden. Sollte das passieren, dann gewinnen die Staaten, die absichtlich Verunsicherung schüren, sagt Thimm und fügt hinzu: „Das dürfen wir nicht zulassen.“
Laut Bundesverband Windenergie Offshore e.V. sind Windpark-Betreiber grundsätzlich bereit, sich am Schutz der Offshore-Anlagen zu beteiligen. Klar sei aber auch, dass die Abwehr von Gefahren eine hoheitliche Aufgabe des Staates sei. Die Zuständigkeiten müssten gesetzlich klar definiert werden. Den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes (KritisDachG) wertet der Verband als einen wichtigen ersten Schritt. Die vorherige Bundesregierung hatte den Gesetzentwurf am 6. November 2024 auf den Weg gebracht. Ein neuer rechtlicher Rahmen sei notwendig, hieß es damals, um die kritische Infrastruktur besser schützen zu können.
Es habe 25 Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass eine fossilfreie Energieversorgung sicherheitspolitisch wertvoll sein kann, ärgert sich Stefan Bayer, der an der Universität der Bundeswehr Hamburg lehrt. Der Krieg in der Ukraine zeige, dass dort fossile, zentrale Energieanlagen von der russischen Armee bevorzugt ausgeschaltet werden, um die Verteidigungsfähigkeit des Landes herabzusetzen. Auch aus sicherheitspolitischen Gründen müsse daher in Deutschland der Ausbau und Schutz möglichst dezentraler Anlagen der erneuerbaren Energieerzeugung beschleunigt werden.
Windparks sind sicherheitspolitisch relevant
Daten sammeln, Lagebild erstellen und die militärische Verteidigung erleichtern: Auch dafür eignen sich Windparks, erklärt Julian Pawlak in der Universität der Bundeswehr Hamburg. Man könne die Windkraftanlagen nutzen, um zu beobachten, was rund um die Windparks unter, über und auf dem Wasser passiere. Zum Beispiel, wenn Sonargeräte unter Wasser an die Fundamente der Windräder angebracht werden. Aktuell warnen solche Geräte U-Boote vor einer Kollision mit dem Windrad.
Sie könnten aber auch genutzt werden, um Signale zu empfangen und feindliche U-Boote zu identifizieren. Sensoren in den Maschinenhäusern der Windräder, die aktuell Vögel identifizieren, lassen sich auch nutzen, um feindliche Drohnen zu erkennen und dann abwehren zu können. Auch Start-up-Gründerin Engelhard ist überzeugt, dass sich mit dem Einsatz unbemannter Boote nicht nur die Stromproduktion in Nord- und Ostsee, sondern auch die Anrainerstaaten selbst besser schützen ließen. Sollten solche Boote in mehreren Windparks zum Einsatz kommen, dann entstehe ein Vorposten, der die gesamte Küstenlinie schütze, erklärt sie.
Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverband Windenergie Offshore e.V., wünscht sich möglichst viel Kontrolle über sensible Bereiche. Und plädiert dafür, potenzielle Risiken für seine Branche möglichst zu diversifizieren. Schließlich könne heute niemand mit Sicherheit sagen, wie in zehn Jahren die Beziehungen Deutschlands zu Russland, China oder den USA sein werden.