Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen stellt die EU ihre Handelsbeziehungen mit Israel infrage. Nach Angaben von EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas sprach sich bei einem Außenministertreffen in Brüssel eine „starke Mehrheit“ dafür aus, das sogenannte Assoziierungsabkommen zu überprüfen, das die Basis für den Handel mit Israel bildet. Zu den Grundprinzipien des Abkommens gehört, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auch auf der Achtung der Menschenrechte beruhen.
Israel reagierte empört auf die Ankündigung. „Wir lehnen den in der Erklärung eingeschlagenen Kurs rundum ab“, teilte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Oren Marmorstein, auf X mit. Der Schritt spiegele „ein völliges Fehlverständnis der komplexen Realität wider, mit der Israel konfrontiert“ sei.
Weil Israel seit Anfang März kaum noch Lieferungen von Hilfsgütern in den Gazastreifen lässt, werfen unter anderem die Niederlande dem Land vor, sich nicht mehr an das Grundprinzip des Assoziierungsabkommens zu halten. Ohne eine Überprüfung des Abkommens wollen die Niederlande einer gegenwärtig geplanten Verlängerung der Geltungsdauer eines EU-Israel-Aktionsplans um zwei Jahre nicht zustimmen. Dieser fördert nach Angaben der EU die Integration Israels in europäische Politiken und Programme.
Deutschland war nach Angaben von Diplomaten eines der Länder, die sich gegen eine Überprüfung aussprachen. Die Bundesregierung argumentiert unter anderem, dass sie die bestehenden Gesprächskanäle zu Israel nicht gefährden wolle. Bereits im vergangenen Jahr hatten Spanien und Irland EU-interne Diskussionen über das Abkommen mit Israel angestoßen.
Die EU ist Israels wichtigster Handelspartner. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der EU-Kommission Waren im Wert von 42,6 Milliarden Euro ausgetauscht.
Israel dementiert Gespräche über Freihandelsabkommen mit Großbritannien
Großbritannien hatte zuvor angekündigt, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Israel auszusetzen. Die britische Regierung könne angesichts der sich immer weiter verschlechternden Lage im Gazastreifen nicht tatenlos zusehen, sagte Außenminister David Lammy im Parlament in London. Dabei kündigte er neue Sanktionen gegen extremistische Siedler im Westjordanland sowie die Einbestellung des israelischen Botschafters an.
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums bestritt daraufhin, dass es überhaupt entsprechende Gespräche gegeben habe. Die Sanktionen gegen jüdische Siedlungen bezeichnete der Sprecher als „ungerechtfertigt und bedauerlich“.
Hilfsgüter haben nach UN-Angaben Palästinenser nicht erreicht
Seit Montag lässt Israel nach einer fast dreimonatigen Blockade wieder Hilfsgüter in den Gazastreifen. Nach israelischen Angaben wurden am Dienstag 93 Lastwagen in das Gebiet gebracht, die demnach Mehl für Bäckereien, Babynahrung, medizinische Ausrüstung und Medikamente geladen hatten.
Nach Angaben eines UN-Sprechers haben die Güter die Not leidenden Menschen in Gaza bislang jedoch nicht erreicht. Sie befinden sich demnach noch in einem von den Israelis kontrollierten Bereich hinter dem Grenzzaun.
Die zuständige israelische Behörde Cogat äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu der UN-Stellungnahme. Israels Armee unternehme „alle Anstrengungen, um sicherzustellen, dass die Hilfsgüter nicht in die Hände der Terrororganisation Hamas gelangen“, teilte die Behörde mit. Israel wirft den palästinensischen Terroristen der Hamas vor, die Hilfsgüter weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.
Die EU-Außenbeauftragte Kallas hieß es gut, dass Israel zuletzt wieder Hilfsgüter in das Gebiet gelassen habe. Das sei aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagte sie. Die Lage in Gaza sei katastrophal.
Die UN und Hilfsorganisationen befürchten seit Längerem eine Hungersnot in dem abgeriegelten und stark zerbombten Küstengebiet. Nach früheren Angaben der Vereinten Nationen wären täglich rund 500 Lastwagenladungen nötig, um die Versorgung der rund zwei Millionen Palästinenser im Gazastreifen sicherzustellen.