Wahldilemma nicht aufgearbeitet
FDP setzt auf Neustart – aber ohne Fehleranalyse
17.05.2025, 18:13 Uhr
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Die FDP hat auf ihrem ersten Bundesparteitag seit dem Wahldebakel im Februar den Neuanfang eingeläutet – inhaltlich und personell. Die Aufarbeitung des historisch schlechten Wahlergebnisses trat bei dem zweitägigen Treffen hingegen in den Hintergrund. Zentrale Erkenntnisse des FDP-Parteitags:
Personeller Neuanfang
Der langjährige Parteichef Christian Lindner trat ab und übergab das Zepter an seinen Nachfolger Christian Dürr. Auch Generalsekretär Marco Buschmann, der ebenso wie Lindner persönlich Verantwortung für das Wahlergebnis übernommen hatte, verabschiedete sich. Zu seiner Nachfolgerin wählte die FDP die KI-Unternehmerin Nicole Büttner.
Mit der Europapolitikerin Svenja Hahn und dem NRW-Politiker Henning Höne als Parteivizes präsentiert sich der Vorstand mit weiteren neuen Gesichtern. Neu als Beisitzerin im Präsidium ist außerdem die bayerische Politikerin Susanne Seehofer, Tochter des früheren CSU-Chefs Horst Seehofer. Sie wurde von der Partei-Jugendorganisation Julis unterstützt und setzte sich äußerst knapp gegen eine Gegenkandidatin durch.
Inhaltlicher Neuanfang
Mehrheitlich angenommen wurde ein Leitantrag mit dem Titel „Mut zum Neuanfang“. Dieser zielt auf klassische liberale Themen ab und will zugleich dazu beitragen, dass die politischen Ränder bei der nächsten Wahl nicht weiter anwachsen. Der Antrag umschreibt die drei Leitlinien „Frei leben“, „Frei reden“ und „Frei wirtschaften“.
Die Partei setzt in dem Antrag etwa angesichts des Ukraine-Kriegs auf die Verteidigungsfähigkeit des Landes als „grundlegende Voraussetzung für ein Leben in Freiheit“. Sie macht sich stark für Deregulierung und Bürokratieabbau. So sollen etwa Vorschriften reduziert werden, um Bauen wieder günstiger zu machen.
Immer wieder betont die FDP außerdem die für sie entscheidende Meinungsfreiheit bei gleichzeitigem Schutz der Privatsphäre – auch im Leitantrag. Damit reagiert sie auf geplante Verschärfungen der Regierung im Vorgehen gegen Hass und Hetze und will gegen den Eindruck vorgehen, „man könne seine Meinung nicht mehr frei äußern“.
Auf wirtschaftlicher Ebene postuliert die FDP einen Neustart der Energiewende und ein einfacheres Steuersystem. Sie verteidigt außerdem die Schuldenbremse und fordert „generationengerechte Staatsfinanzen“. Ferner sprechen sich die Liberalen im Leitantrag gegen Eingriffe beim Mindestlohn aus – zugunsten einer leistungsorientierten Lohnpolitik.
Die FDP will sich außerdem in naher Zukunft ein neues Grundsatzprogramm geben, auch dazu nahm der Parteitag einen Antrag an. Parteichef Dürr sagte dazu, der neue Leitantrag sei „nicht das Ende des Programmprozesses der Freien Demokraten“. Er kündigte einen breiten programmatischen Prozess unter Beteiligung aller 70.000 FDP-Mitglieder an.
Aufarbeitung des Wahlergebnisses
Eine Reihe von Delegierten sprach auf dem Parteitag die bittere Wahlniederlage und das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag an und forderte eine gründliche Aufarbeitung. Generalsekretärin Nicole Büttner etwa forderte, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und sich für Zukunftsthemen aufzustellen. Es blieb allerdings bei Ankündigungen – und bei Schuldzuweisungen etwa in Richtung Ampel-Regierung. Eine inhaltliche Fehleranalyse erfolgte vorerst nicht, auch mit Blick auf die anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen. „Nach der Wahl ist vor der Wahl“, sagte etwa die Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Arbeit in der außerparlamentarischen Opposition (APO)
Im Leitantrag heißt es: „Wir wollen wieder die modernste Partei Deutschlands sein und sind entschlossen, auch als außerparlamentarische Opposition mutige Impulse für unsere Gesellschaft zu setzen.“ Besonders der langjährige Parteichef Christian Lindner schwor die FDP auf die Rolle als Korrektiv außerhalb des Parlaments ein. Es sei nun die Verantwortung der FDP, „die Reformen zu durchdenken und öffentlich einzufordern“, die die Regierung von Kanzler Friedrich Merz brauche, „damit die eigenen neuen Schulden dauerhaft tragfähig sind“.
Der Rauswurf aus dem Parlament führte auf dem Parteitag bereits zu langen Rednerlisten und vehementen Plädoyers, eine „neue Debattenkultur“ zu pflegen. Erklärtes Ziel der FDP ist es, bei der nächsten Wahl die APO zu überwinden.