Bevor der neue Bundesfinanzminister am Dienstag zu seiner ersten großen Auslandsreise nach Kanada aufgebrochen ist, hat Lars Klingbeil seinen Kabinettskollegen daheim noch ein ordentliches Stück Arbeit beschert. Schon bis zu diesem Freitag sollen die Ministerkollegen dem Bundesfinanzministerium eigene Sparvorschläge für die Bundeshaushalte 2025 und 2026 unterbreiten, viele von ihnen „titelscharf“, also mit exakten Summenangaben. Das entsprechende Rundschreiben zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2025 und der Eckwerte für den Etat 2026 verschickte Klingbeils Haushalts-Staatssekretär Steffen Meyer zu Wochenbeginn an die Ressorts.
„Als Finanzminister werde ich darauf drängen, dass jedes Ministerium Einsparungen vorbringt“, hatte der SPD-Vorsitzende erklärt. „Sich zurückzulehnen, weil wir das 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur haben und die Verteidigungsausgaben jetzt von der Schuldenbremse ausgenommen sind, geht nicht“, mahnte der Vizekanzler. Nach seiner Rückkehr vom Treffen der Finanzminister der sieben größten Wirtschaftsnationen (G7-Gruppe) in Kanada will Klingbeil in den kommenden Wochen mit jedem einzelnen Kabinettskollegen Gespräche über ihre Einzeletats führen.
Schon am 25. Juni will Klingbeil dem Kabinett den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 vorlegen. Ihm liegt daran, dass bei den Ministerkollegen von Anfang an keine Illusionen aufkommen, was die finanziellen Spielräume angeht. Union und SPD hatten zwar vereinbart, die Verschuldung kräftig auszuweiten und ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz zu schaffen. Zudem ist die Verschuldungsmöglichkeit für Verteidigungsausgaben ab sofort unbegrenzt. Für beide Schritte waren Grundgesetzänderungen mit Hilfe der Grünen nötig.
Doch das bedeute nicht, dass die Haushaltsspielräume für alles Übrige größer geworden seien, mahnt Klingbeil. Trotz der Grundgesetzänderungen „müssen wir den Bundeshaushalt angesichts der bereits bestehende Haushaltsbedarfe strukturell konsolidieren“, heißt es im Rundbrief. Bestand vor dem Amtsantritt der schwarz-roten Regierung eine Finanzierungslücke von etwa 30 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2025, soll das Loch wegen einiger Umbuchungen jetzt zwar kleiner geworden sein. Dennoch wird Klingbeil Einsparungen gegenüber dem Entwurf der alten Regierung in Milliardenhöhe einsammeln müssen.
Für die neuen Minister, die erst seit zwei Wochen im Amt sind, ist die Vorgabe, bis Freitag Kürzungsvorschläge zu liefern, eine enorme Herausforderung. Wie problematisch Kürzungen sein können, hatte die Ampelregierung erfahren müssen: Ihr Plan, die Agrardiesel-Förderung zu kürzen, hatte bundesweite Bauernproteste ausgelöst, die Ampel hatte ihn zurücknehmen müssen.
Nur eine Sparvorgabe steht bereits fest: Die Ministerien sollen beim Personal sparen. Union und SPD wollen die Stellenzahl bis zum Ende der Legislaturperiode um acht Prozent kappen. 2025 soll sie zunächst pauschal um 0,5 Prozent und 2026 um weitere zwei Prozent gesenkt werden.
Die Grünen hatten ihre Stimmen für die Grundgesetzänderung nur unter der Bedingung gegeben, dass aus dem Sondervermögen zusätzliche und nicht bereits geplante Investitionen finanziert werden. Zudem sollten 100 Milliarden Euro daraus für den Klimaschutz ausgegeben werden. Hier legt das Aufstellungsschreiben den Verdacht nahe, dass sich der Finanzminister nicht ganz sauber an die Vereinbarungen halten will. Denn Wirtschafts-, Umwelt- und Verkehrsministerium sollen ihre Etats um bereits geplante Maßnahmen reduzieren, die künftig aus dem KTF oder dem Sondervermögen finanziert werden sollen.
Grüne und Linke werfen Klingbeil deshalb schon jetzt unzulässige Buchungstricks vor. „Die Grundgesetzänderungen, die wir als Grüne mit ermöglicht haben, verlangen zusätzliche Investitionen. Deshalb darf es keine Zweckentfremdung von Investitionsmitteln durch Buchungstricks geben, gerade beim Klimaschutz“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sebastian Schäfer. Auch Linken-Chefin Ines Schwerdtner sagte: „Der Klima- und Transformationsfonds verkommt zum Verschiebebahnhof. Mittel sollen zunehmend für Maßnahmen genutzt werden, die mit echtem Klimaschutz nichts zu tun haben.“
Nur einer hat mit alledem nicht zu kämpfen: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). In den kommenden fünf bis sieben Jahren, so Pistorius am Mittwoch in Brüssel, sollen die Verteidigungsausgaben um 0,2 Prozentpunkte pro Jahr steigen. Von 2024 an gerechnet, in dem 2,1 Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgegeben wurde, könnte bis 2032 eine Nato-Quote von 3,5 Prozent erreicht werden, so der Minister. Will Deutschland eine Nato-Quote von fünf Prozent erreichen, wie der Außenminister unlängst angedeutet hatte, müssten noch verteidigungsbezogene Ausgaben in Höhe von 1,5 Prozent hinzukommen – etwa für militärisch nutzbare Bahnstrecken, Brücken und Häfen.