Wer Angehörige pflegt, kann häufig nicht mehr so arbeiten wie bisher. Die neue Familienministerin Prien will deshalb ein Pflegegeld als Lohnersatz einführen. Allerdings setzte sie selbst ein Fragezeichen hinter die neue Sozialleistung.
Aus Sicht von Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) sollte pflegenden Angehörigen ein Pflegegeld als Lohnersatz gezahlt werden. „Es wird mit unserer demografischen Entwicklung nicht möglich sein, dass Pflege allein von Fachkräften geleistet wird“, sagte Prien den Zeitungen der Funke Mediengruppe zur Begründung.
„Deshalb müssen wir einen Einstieg in ein Pflegegeld als Lohnersatz für pflegende Angehörige schaffen“, ergänzte die Ministerin. Deutschland habe ein „riesengroßes Interesse“ daran, dass eine solche Leistung komme.
Prien: Pflegegeld unter Vorbehalt der wirtschaftlichen Entwicklung
Die neue Sozialleistung soll aber nur kommen, wenn es wirtschaftlich möglich ist. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass sich die wirtschaftliche Lage verbessert. Aber auch, wenn das klappt, wird man Schwerpunkte setzen müssen“. Und oberste Priorität habe für sie mehr Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche.
Auf die Frage, wie ein Einstieg in ein Pflegegeld aussehen könne, erklärte Prien, es gebe mehrere Möglichkeiten. „Da sind viele Varianten denkbar“, sagte sie. Unter anderem nannte sie die Bezugsdauer, die Höhe oder eine soziale Staffelung des Pflegegelds.
Sozialverbände dringen auf die Einführung des Pflegegeldes
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag „tiefgreifende strukturelle Reformen“ im Gesundheits- und Pflegebereich angekündigt. „Wir prüfen, wie perspektivisch ein Familienpflegegeld eingeführt werden kann“, heißt es dort.
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe eine Auszahlung des Pflegegeldes mindestens in Höhe des Elterngeldes. Sie sprach sich für eine sozial gestaffelte Lösung aus „mit klarer Ober- und Untergrenze, die sich am vorherigen Einkommen orientiert“. Ziel müsse sein, dass Menschen sich ohne Existenzangst um ihre Angehörigen kümmern könnten.
Zuspruch für ein Pflegegeld kommt auch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. „Die Orientierung dabei ist ein Anteil von 65 Prozent des letzten Nettoeinkommens, mindestens aber 300 und maximal 1.800 Euro“, sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Rock den Funke-Zeitungen.
Caritas fordert Entlastungen in Milliardenhöhe
Entlastungen für pflegende Angehörige in Milliardenhöhe forderte auch Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sprach sie von insgesamt 4,7 Milliarden Euro pro Jahr. Konkret seien zwei Milliarden Euro zusätzlich für flexible Pflegebudgets, also passgenaue Unterstützung, rechnete die Präsidentin des katholischen Sozialverbandes vor.
„Weitere zwei Milliarden Euro pro Jahr braucht es, um aus Pflegezeit und Familienpflegezeit ein alltagstaugliches Entlastungsangebot zu machen, noch einmal 700 Millionen Euro für die Zusammenführung von Kurzzeit- und Verhinderungspflege.“ Dies alles sei wichtig, „damit Angehörige die Pflichten, die sie als Pflegende übernehmen, besser mit ihrem sonstigen Leben vereinbaren können“, so Welskop-Deffaa.
Bedenken äußerte hingegen der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. „Bei dem Konzept des Familienpflegegelds besteht die Gefahr, dass Anreize zur Arbeitszeitreduzierung gesetzt werden, obwohl eine Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bestünde.“ In Zeiten des Fachkräftemangels seien solche Maßnahmen gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll, gab der Experte zu bedenken.