Braune Flecken an den Zähnen, Blut nach dem Zähneputzen: Wenn man Zähne und Zahnfleisch nicht gut genug reinigt, entstehen Entzündungen im Mund. Und diese können sich auf den gesamten Körper auswirken, Mediziner sagen: Sie werden systemisch. Immer wieder weisen Studien darauf hin, dass die Entzündungsherde aus dem Mund sich schädlich etwa auf das Herz auswirken können. So kam jüngst eine Studie im Fachblatt Heart & Lung an mehr als 7000 US-Amerikanern zu dem Schluss, dass das regelmäßige Reinigen der Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder speziellen Bürsten und anderen Gerätschaften das Risiko für Herzerkrankungen senken kann.
„Es gibt inzwischen viele Studien, die zeigen, dass es tatsächlich Interaktionen zwischen der Mundgesundheit und verschiedenen systemischen Erkrankungen gibt“, sagte Annette Wiegand, die Direktorin der Zahnklinik an der Universität Göttingen, während eines SZ-Gesundheitsforums zur Zahnmedizin. „Das ist sicherlich auch durch gemeinsame Risikofaktoren beeinflusst, die viele Erkrankungen haben.“ Dazu gehöre zum Beispiel das Rauchen, das einerseits Zähnen und Zahnfleisch schadet, aber auch ein erheblicher Risikofaktor für das Herzkreislaufsystem ist. Doch es scheint auch eine direkte, kausale Verbindung zwischen Krankheiten der Mundhöhle und des ganzen Körpers zu geben. „Eine verbesserte Mundgesundheit kann somit das Risiko für bestimmte Erkrankungen möglicherweise reduzieren“, so Wiegand.
Das verbindende Element scheint dabei das Immunsystem zu sein, das grundlegend an Entzündungen beteiligt ist: Wenn es im Körper bakterielle Herde oder Wunden gibt, sind sofort Immunzellen zur Stelle, welche die Wunde verschließen und die Bakterien bekämpfen. Dabei schütten die Zellen zahlreiche Stoffe aus, die wiederum weitere Immunzellen anlocken und sich durch die Blutbahn im ganzen Körper ausbreiten. So können Entzündungen in der Mundhöhle möglicherweise zu einem erhöhten Entzündungsstatus im Körper führen. Solche „stillen Entzündungen“ werden vermehrt als Ursache zahlreicher schwerer Erkrankungen von A wie Adipositas bis Z wie Zuckerkrankheit (Diabetes) diskutiert.
Mundspüllösungen: nicht immer gute Lösungen
Eine der stärksten Entzündungen im Mund ist die Parodontitis. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende Entzündung des Zahnfleischs mit Bakterienherden in tiefen Zahnfleischtaschen. Die Parodontitis sei von einer Gingivitis zu unterscheiden, sagte Matthias Folwaczny, der Leiter der Parodontologie an der Zahnklinik der Universität München, während des SZ-Gesundheitsforums. Beide werden durch bakterielle Zahnbeläge und unzureichende Pflege von Zähnen und Zahnfleisch ausgelöst; bei beiden kommt es beim Essen oder der Pflege zu Zahnfleischbluten. Der Unterschied ist jedoch die Tiefe der Taschen. Beide Erkrankungen sollte man frühzeitig behandeln – sowohl mit Blick auf weitere Schäden für Zahnfleisch, Zähne und Kiefer als auch wegen der möglichen Ausstrahlung in den Körper.

:Nichts ist so gut wie ein natürlicher Zahn
Wie pflegt man Zähne und Zahnfleisch am besten? Und was tun bei Schäden? Im SZ-Gesundheitsforum diskutierten Expertinnen und Experten über die Fortschritte der Zahnmedizin und auch über unseriöse Angebote.
Zu Hause nehmen viele Patienten bei kleinen Entzündungen Mundspüllösungen – etwa wenn nach dem Benutzen der Zahnseide mal etwas Blut zu sehen ist. Täglich empfehle sie das Spülen mit einer solchen Lösung aber nicht, sagte Annette Wiegand, außer wenn schon ein erhöhtes Risiko etwa durch eine Gingivitis besteht. Und sie betonte: „Mundspüllösungen können das normale Zähneputzen nicht ersetzen.“ Zuletzt gab es zudem Berichte, wonach das regelmäßige Gurgeln mit einer alkoholhaltigen Mundspüllösung das Risiko für Tumore im Mund-Rachen-Raum erhöhe. „Unter solchen alkoholhaltigen Lösungen kann sich das Mikrobiom verändern, und zwar nicht zum Positiven“, so Wiegand. „Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Mundspüllösung dann auch wirklich Krebs auslösen, aber es heißt vielleicht, dass sie den Zustand zumindest nicht verbessern.“
Doch während Patienten zu Recht keine Entzündungen im Körper haben möchten, belassen Zahnärzte manche Bakterien heutzutage absichtlich im Mund – und zwar bei der Karies. „Wir haben für die Karies in den letzten 20 bis 30 Jahren ein ganz anderes Verständnis gewonnen“, sagte Falk Schwendicke, der Direktor der Zahnklinik an der Universität München. „Wir wissen heute, dass wir die Mikroorganismen auch durch eine Versiegelung, also durch das Abdecken, aushungern können. Das heißt, dass wir ihre Aktivität dadurch teilweise um nahezu hundert Prozent reduzieren können. Die Bakterien sind dann nicht mehr vermehrungsfähig und nicht mehr krankheitserregend, die Karies kann nicht mehr voranschreiten.“
Der Vorteil an dieser Strategie ist: Man muss nicht so viel bohren. „Frühe Karies im Zahnzwischenraum können wir mittlerweile durch Kunststoffmaterialien infiltrieren, also durchdringen, und dadurch zum Stoppen bringen“, so Schwendicke. Und selbst wenn in einem Zahn bereits eine umfangreiche Karies besteht, lassen Experten manches befallene Gewebe tief im Zahn zurück, bevor sie ihn versiegeln. „So können wir Zahnsubstanz erhalten, den Zahnnerv erhalten und damit langfristig hoffentlich auch die Zähne erhalten.“
Deshalb müssen sich Patienten auch keine Sorgen machen, wenn sie wegen einer entzündeten Zahnwurzel eine Wurzelkanalbehandlung benötigen. Auch bei der besten Behandlung ist nicht vollständig auszuschließen, dass in den krummen und verzweigten Zahnwurzeln Bakterien zurückbleiben. Wäre es da nicht besser, den Zahn zu ziehen, damit man die Entzündung sicher los ist? Nein, sagte Falk Schwendicke: „Wir wollen alle Maßnahmen ausreizen, um eigene Zähne zu erhalten. Bei Wurzelkanalbehandlungen sind die Erfolgsraten sehr hoch, wenn sie gut durchgeführt werden.“ Und das Risiko, dass von kleinen Infektionen an der Wurzelspitze eine systemische Infektion ausgehe, sei klein. „Wenn es mein Zahn ist, würde ich ihn lieber behalten, als ihn zu verlieren“, so Schwendicke. Denn sonst seien schließlich Brücken oder Implantate nötig. „Und die können ebenfalls mit Komplikationen und möglicherweise eben auch mit systemischen Entzündungen einhergehen.“
Zur Aufzeichnung des SZ-Gesundheitsforums geht es hier: www.sz-erleben.de/videozahngesundheit