Der ehemalige CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer hat in einem Interview die Migrationspolitik der früheren CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf kritisiert und sie für das Erstarken der AfD verantwortlich gemacht. „Seit der fatalen Fehlentscheidung von Angela Merkel 2015 die Grenzen aufzumachen oder durchlässig zu machen, haben wir das Aufwachsen der AfD. Sie sind dann in alle Parlamente eingezogen“, sagte Seehofer dem BR-Politikmagazin „Kontrovers“. Das sei ein großer Fehler gewesen, der zum Aufblühen der AfD geführt habe, kritisiert Seehofer. „Deshalb ist die These von Angela Merkel ‚Ich habe die AfD nicht verdoppelt‘ etwas schräg“, sagte er weiter.
Im Interview konkretisierte Seehofer seine Kritik an der früheren Kanzlerin. „Das Problem war die Haltung von Kanzlerin Merkel, dass sie eine Zurückweisung an der Grenze von Asylbewerbern nicht wollte, also abgelehnt hat. Das war damals ihre Meinung und die vertritt sie ja heute noch. […] Da können Sie Innenminister sein, solange Sie wollen: Wenn der Kanzler diese Grundlage nicht mitträgt, können Sie nichts machen. […] Und jetzt ist es mit Friedrich Merz und Alexander Dobrindt machbar.“
Mit Blick auf die Integration in Deutschland zieht Seehofer ein nüchternes Fazit: „Wenn wir Millionen plötzlich an Zuwanderung haben, wie es jetzt die letzten zwei Jahre war, aber auch 2015 und 2016, dann stellen wir fest, dass wir es einfach nicht mehr schaffen.“ Teile der Ampelkoalition hätten die „Willkommenskultur“ noch weiterbetrieben, so Seehofer, der unter Merkel von 2018 bis 2021 selbst Innenminister war. Auch schon damals ging er Merkel öffentlich teilweise scharf für ihre Migrationspolitik an.

Im Interview sprach der CSU-Politiker auch über die AfD. „Sie kriegen die AfD nicht durch Demonstrationen oder durch Verbotsüberlegungen wieder klein, sondern nur durch eine gute Politik, die das Vertrauen der Bevölkerung bekommt“, prognostizierte der frühere CSU-Chef. Kritisch blickte Seehofer dabei auf das jüngste Gutachten des Bundesverfassungsschutzes zur AfD. Die Behörde sei auch nicht total unabhängig, so der Ex-Politiker. Der Verfassungsschutz hatte die AfD vor Kurzem als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, gab dann aber eine sogenannte Stillhaltezugsage ab. Das bedeutet, dass der Geheimdienst die Partei bis zu einem Urteil nicht als gesichert extremistische Bestrebung beobachten kann und bis zur gerichtlichen Klärung auch auf die Bezeichnung gesichert rechtsextremistisch verzichtet.
Seehofer äußerte auch indirekt Kritik an seinem Nachfolger als CSU-Chef, Markus Söder. Zu dessen Äußerung der „letzten Patrone“, die der Demokratie in Deutschland noch bleibe, sagte er: „Da kann ich nur den Kopf schütteln: „Ein Hauch von Weimar“, „das war jetzt die letzte Chance“ – das ist ja so eine Weltuntergangsstimmung, die ich überhaupt nicht teile.“ Die Wahlergebnisse der CSU unter Söder hält Seehofer für zu gering: „Wir schaffen es jedenfalls bei keiner Landtags- und bei keiner Bundestagswahl – bisher – die 40 Prozent zu wuppen. Und miteinander sind wir [als Union] bei der Bundestagswahl bei 28,5 Prozent gewesen.“