Spahn spricht stattdessen von „der Balance zwischen loyal und selbstbewusst“ und nennt dabei Wolfgang Schäuble als Vorbild. Einen Hinweis gibt Spahn dann aber doch: „In den 90er-Jahren, Wolfgang Schäuble, das war eine Fraktion, die jederzeit loyal war.“ Gleichzeitig habe Schäuble eigene Akzente gesetzt. Als Zielvorgabe gibt Spahn an, Fraktionen sollten „Ruhepole im Parlament“ sein.
Loyalität hatte Spahn von der CDU/CSU-Fraktion am Mittwoch verlangt, als es um die Wahl der Ausschussvorsitzenden ging. Der Fraktionschef hatte vorgegeben, kein Kandidat der AfD dürfe eine Stimme von Abgeordneten von CDU und CSU bekommen. Noch im April hatte Spahn hingegen die Ansicht vertreten, mit der AfD „in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“ umzugehen.
Daran erinnert Maischberger in der Sendung. Daraufhin scheint Spahn zu suggerieren, dass der wahrgenommene Rang einer Abstimmung im Umgang der Union mit der AfD eine Rolle spielt: Der CDU-Politiker stellt infrage, „ob es klug ist, die Frage ‚Wer hat welchen Sitzungssaal‘ zur Existenzfrage der Demokratie zu erklären“.
Veränderter Umgang mit der AfD und Sitzungssaaldiskussion
Damit spielt er auf eine noch in dieser Woche anstehende Entscheidung an, ob die auf 151 Abgeordnete angewachsene AfD-Fraktion aus ihrem bisherigen Sitzungssaal in den deutlich größeren Sitzungssaal der SPD umziehen darf. Die Sozialdemokraten, die mit CDU und CSU eine Koalition bilden, lehnen das kategorisch ab. Es werde dazu eine gemeinsame Entscheidung geben, sagt Spahn. „Ich sage aber auch, dass wir uns dabei nicht völlig wohlfühlen.“
Das jüngste Verfassungsschutzgutachten, das die AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, habe die Lage geändert, sagt Spahn. „Natürlich verändert eine solche Einstufung etwas.“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft, wegen des juristischen Vorgehens der AfD dagegen liegt die Einstufung aber vorerst auf Eis.
Unions-Fraktionsvorsitzender wird mit der „Methode Spahn“ konfrontiert
Maischberger konfrontiert Spahn mit seinem auch als „Methode Spahn“ bekannten Vorgehen, einen kontroversen Vorschlag zu machen, Reaktionen zu beobachten und im Zweifelsfall zurückzurudern. Dafür nennt sie viele Beispiele, von der „normalen Oppositionspartei AfD“ über „Hartz IV bedeutet nicht Armut“ bis zu Spahns Vorschlag, irreguläre Migration an EU-Außengrenzen mit physischer Gewalt aufzuhalten. Die Moderatorin fragt den Politiker, ob diese „Methode Spahn“ in seinen Augen existiert und er Vorstöße macht, die er zwar teilweise zurücknehme, aber „dann ist schon einmal dieser Pflock in den Boden gehauen“.
Daraufhin bestreitet Spahn, dass er von seinen Aussagen überhaupt abgerückt sei. „Ich habe von keiner dieser Aussagen irgendetwas zurückzunehmen.“ Mit Blick auf seine Äußerungen zur Migration fügt der Unions-Fraktionschef hinzu: „Das Schöne ist, wir haben jetzt im Koalitionsvertrag auch die Mehrheit, das endlich zu tun, illegale Migration zu beenden.“
Spahns Haltung zu möglichen Koalitionsänderungen und Mehrheitsbeschaffungen
Viel Raum nimmt in dem Interview die Frage der Mehrheitsbeschaffung durch den Unions-Fraktionsvorsitzenden ein. Stünde nun eine weitere Änderung des Grundgesetzes an, zum Beispiel für eine Reform der Schuldenbremse, wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig. Dafür müsste die Union sich die Stimmen der AfD oder der Linken sichern. Für beide gilt bei der CDU aber eigentlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss. Allerdings hatte der jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sich im Februar bereits zweimal darüber hinweggesetzt und mit AfD-Stimmen eine Mehrheit herbeigeführt. Und nachdem er im ersten Wahlgang bei der Kanzlerwahl gescheitert war, schaffte Merz es im zweiten Wahlgang nur mit Stimmen der Linkspartei.
„Wir haben nicht vor, jeden Tag das Grundgesetz zu ändern“, wiegelt Spahn ab. Als Maischberger nachhakt, beruft sich der CDU-Politiker wiederholt darauf, dass Stimmen vom Koalitionspartner SPD für geplante Abstimmungen ausreichen. Für Schützenhilfe von anderen Parteien sieht sich der Unions-Fraktionsvorsitzende zudem nicht verantwortlich. Das untermauert er mit einem schiefen Vergleich. „Kann ich ausschließen, dass die AfD jemals unseren Gesetzen zustimmt? Nein. Werden die Gesetze dadurch schlechter? Nein.“
Zusammenarbeit mit AfD oder den Linken: „Mit solchen Parteien werden wir nicht zusammenarbeiten“
Fragen zu einem möglichen Stimmenfang bei AfD oder Linken weicht Spahn aus. Stattdessen äußert er sich zu einer aktiven Zusammenarbeit im Bundestag. „Wir werden mit Parteien, die pro-russisch sind, ein gespaltenes Verhältnis zur Nato und Bundeswehr haben, die nicht klar sind in der Frage der Bekämpfung des Antisemitismus, die ein anderes System wollen, die Republik nicht wollen, die Marktwirtschaft nicht wollen, die ein nicht geklärtes Verhältnis zur Gewaltanwendung in der Politik und in der politischen Auseinandersetzung haben, mit solchen Parteien werden wir nicht zusammenarbeiten.“ Spahn unterstreicht an diesem Punkt die Machtverhältnisse im Bundestag. „Wenn Parteien mit uns zusammenarbeiten wollen, dann müssen sie die Bedingungen erfüllen. Nicht wir.“
Maischberger erinnert erneut an die im Koalitionsvertrag erwähnte mögliche Reform der Schuldenbremse und die dafür nötigen Stimmen von AfD oder Linkspartei: „Ich halte fest, Sie wollen sich heute nicht festlegen.“ Auch nach dieser Provokation der Moderatorin lässt Spahn die Antwort offen.