Bald zieht der Hofstaat wieder um. Ende Mai fängt es an einfach zu heiß zu werden in Palm Beach, Südflorida. Außerdem beginnt die Hurrikan-Saison. Donald Trump verlässt deshalb im Sommer für einige Monate seine Residenz Mar-a-Lago und verbringt die Wochenenden meist in Bedminster in New Jersey, vierzig Meilen westlich von New York. Dort hatte er sich 2002 einen weiteren Golfklub zugelegt, als er noch hauptsächlich an der Fifth Avenue in Manhattan seinen Geschäften nachging. Im Frühherbst geht es dann zurück nach Mar-a-Lago.
Das 100 Jahre alte Anwesen war in den vergangenen acht Monaten das Zentrum von Trumps Universum, seine eigentliche Machtzentrale: Von hier aus wurde der Wahlkampf gesteuert. Hier residierte nach seinem Sieg das Übergangsteam, das die Rückkehr ins Weiße Haus vorbereitete. Hier wurden die Anwärter für sein Kabinett interviewt. Und hierhin zog es ihn seit dem 20. Januar immer dann, wenn er Washington entkommen wollte.
Wenn Trump das Wochenende in Südflorida verbringt, herrscht Ausnahmezustand in Palm Beach. Die Straße vom Festland zur Barriereinsel Palm Beach ist stets streng gesichert – egal, ob der Präsident da ist oder nicht. Seit dem Versuch im vergangenen Jahr, ihn auf seinem Golfplatz im benachbarten West Palm Beach zu erschießen, ist die Sicherheit noch einmal verstärkt worden. An jeder Kreuzung steht Polizei. Unmittelbar vor dem Anwesen wird die Straße einspurig. Der Secret Service verfolgt das Geschehen.

Für die Anwohner kann das lästig sein. Noch bevor das Weiße Haus Reisepläne des Präsidenten veröffentlicht, berichtet die Lokalzeitung „The Palm Beach Post“ über mögliche Flugbeschränkungen der Luftfahrtbehörde über dem Luftraum in Südflorida – ein Anzeichen dafür, dass Trump plant, das Wochenende in Mar-a-Lago zu verbringen.
Nicht jeder ist darüber begeistert. Florida, auch Südflorida, ist in den vergangenen Jahren republikanischer geworden. Wenn Trump ankommt, versammeln sich meist einige MAGA-Leute am Straßenrand, um ihren Präsidenten zu begrüßen. Es sei denn, es ist schon dunkel.
In Mar-a-Lago zeigt sich Trump volkstümlich
Fernsehjournalisten nutzen die andere Uferseite, um am Wochenende ihre Trump-Aufsager mit der Mar-a-Lago-Kulisse im Hintergrund zu machen. Das suggeriert Nähe, die es nicht gibt. Der Zutritt zu dem Anwesen ist für Journalisten extrem schwierig. Seit seinem Wahlsieg wird Trump zwar wieder von einem Medien-Pool begleitet, der sich aus den im Weißen Haus akkreditierten Journalisten rekrutiert und monatlich rotiert. Bislang organisierten sich die Journalisten über die „White House Correspondents’ Association“ selbst.
Seit Kurzem bestimmt die Pressestelle des Weißen Hauses über den Pool. Einer aus der Gruppe, der den Präsidenten in diesem Monat begleitet, setzt regelmäßig Pool-Berichte ab, auf die alle im Weißen Haus akkreditierten Journalisten zurückgreifen können: Ankunftszeit, besondere Vorkommnisse, etwaige O-Töne Trumps.
Freitagnachmittag: „Die Autokolonne rollt und hat den Trump International Gulf Club verlassen. Ein Fotograf weist darauf hin, dass Trump, wie immer beim Golfen, den üblichen roten Hut und ein weißes Poloshirt trägt.“
In Mar-a-Lago zeigt sich Trump volkstümlich. Wenn es keine abendliche Gala gibt, die ihn in seine Uniform zwingt – blauer Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte –, verzichtet Trump gar auf die aufwendige Prozedur, sein Haar in Form zu bringen. Es wird einfach nach hinten gelegt und unter der MAGA-Mütze verborgen. Der Bauch, ansonsten gut unter dem Sakko versteckt, kommt dann beim Einputten auf dem Grün mitunter deutlich zum Vorschein.
Trump kann zwar erstaunlich uneitel sein. Er lässt in seiner Selbstherrlichkeit aber nie einen Zweifel aufkommen, dass er das Maß aller Dinge ist. Als er kürzlich seinen Zollkrieg gegen Freund und Feind vom Zaun brach und die Börsen weltweit abstürzten wie seit Jahrzehnten nicht, verzog er sich in sein Refugium und spielte Golf.
Einblick in den Mar-a-Lago-Kosmos haben wenige. Gemäß einer Vereinbarung mit der Stadt Palm Beach ist die Zahl der Mitglieder seines Privatklubs auf 500 beschränkt. 2015, als Trump seine erste Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt gab, betrug die Aufnahmegebühr 100.000 Dollar. Inzwischen müssen neue Mitglieder 700.000 Dollar hinlegen, plus Jahresbeitrag. Von diesem Herbst an, wenn vier Mitgliedschaften frei werden, soll die Aufnahmegebühr auf eine Million Dollar steigen.
Niedriger Kaufpreis durch vorherige Drohung
Trump war 39, als er das Anwesen erwarb. 1985 war das. Die Umstände hat er einmal den Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein erzählt, die einst die Watergate-Affäre aufdeckten. Er habe, wie er es häufiger beim Erwerb von Immobilien tat, einfach einen Taxifahrer gefragt, was gerade „heiß“ sei in Florida. Der habe auf Mar-a-Lago verwiesen und ihn nach Palm Beach gefahren.
Er kaufte das Anwesen weit unter Marktwert. Die Angaben schwanken zwischen sieben und zehn Millionen Dollar. Er hatte vorher das Land zwischen Mar-a-Lago und dem Ozean gekauft und ließ verbreiten, er wolle es bebauen, was dem Anwesen die Sicht auf den Strand genommen hätte. Trump weiß, wie das raue Geschäft funktioniert.
Marjorie Merriweather Post, die Erbin eines Lebensmittelkonzerns, hatte das Anwesen bauen lassen. 1927 war es fertiggestellt worden. Sie nannte es Mar-a-Lago: vom Meer zum See. Merriweather Post war seinerzeit eine der reichsten Frauen der Welt. Und es waren die Goldenen Zwanziger. Das Anwesen verfügte über 58 Schlafzimmer und 33 Bäder, dekoriert mit 36.000 spanischen Kacheln. Der Marmor kam aus Italien. Vorrichtungen wurden vergoldet.

Schon damals war Mar-a-Lago bekannt für seine ausschweifenden Partys mit Royals, anderen Adligen und Diplomaten. Als Merriweather Post 1973 starb, verfügte sie, dass das Anwesen dem Bund übertragen werde. Es sollte ein Rückzugsort für Präsidenten und Diplomaten sein – ein „Winter White House“.
Doch Richard Nixon und Gerald Ford verbrachten ihre Wochenenden lieber anderswo. Und Jimmy Carter konnte mit dem Prunk gleich gar nichts anfangen. Das Anwesen ging zurück an die Merriweather-Post-Stiftung, die irgendwann beschloss, Mar-a-Lago, das inzwischen zum Nationalen Kulturdenkmal erklärt worden war, auf dem Markt anzubieten.
Trump nutzte das Anwesen anfangs ausschließlich als Residenz. 1994 gründete er dann den Klub. Die Mitglieder haben das Recht, Gäste mitzubringen. Trump hatte in seiner Zeit als Immobilien-Mogul in Manhattan stets darunter gelitten, dass die High Society New Yorks ihn spüren ließ, er gehöre nicht wirklich dazu. Nun versammelte er gleichsam seine eigene High Society in Palm Beach um sich. Mit Trumps Einstieg in die Politik wurde daraus allmählich die Hautevolee der MAGA-Bewegung. Laute und schrille Neureiche prägen das Bild, nicht selten wird die Grenze zur Peinlichkeit überschritten.
Wie in „Der Pate“
Stephanie Grisham, die einst als Sprecherin im Weißen Haus und dann als Stabschefin von First Lady Melania diente, bevor sie mit Trump brach, erzählte einmal, wie sich das Leben in Palm Beach in seiner ersten Amtszeit abspielte. Der Präsident zeigte sich nahbar und dinierte häufig im Klub-Bereich. Irgendwelche Leute seien dann auf ihn zugegangen und hätten allerlei verrückte Ideen ausgebreitet, die er tun solle. Mitarbeiter waren machtlos.
Schon Ende 2019 hatte Trump New York in gewisser Weise den Rücken gekehrt und seinen Wohnsitz in Florida gemeldet. Nachdem er infolge des 6. Januar in Washington vom Hof gejagt worden war, zog er sich nach Mar-a-Lago zurück. Kurze Zeit schien es so, als würde sich der Geächtete in seinem Anwesen einigeln. Tatsächlich plante Trump seinen Wiederaufstieg.
Eine Schlüsselszene erinnert an die Kulisse von Francis Ford Coppolas Klassiker „Der Pate“, erster Teil. In der langen Eröffnungsszene empfängt Vito Corleone, gespielt von Marlon Brando, während der Hochzeitsfeier seiner Tochter in seinem Büro Bittsteller, die ihm ihre Loyalität versichern.
Liz Cheney, eine weitere Republikanerin, die mit Trump gebrochen hat, berichtete in ihrem Buch „Oath and Honor“, wie sie drei Wochen nach dem Sturm auf das Kapitol das Bild Kevin McCarthys mit Trump in Mar-a-Lago sah. Der damalige Sprecher des Repräsentantenhauses hatte Trump unmittelbar nach dem Sturm des Mobs eine Mitverantwortung für den Versuch zugewiesen, die Kongresssitzung, die Joe Bidens Wahlsieg beglaubigen sollte, zu verhindern.
Hier plante Trump seine Rache
Cheney, die für eine Amtsenthebung Trumps votiert hatte und dafür später mit ihrem Posten in der Fraktionsführung und letztlich mit ihrem Kongresssitz bezahlte, schildert, wie sie McCarthy hernach zur Rede stellte: „Mar-a-Lago? Was zum Teufel, Kevin?“ McCarthy, der später trotz allem vom Rechtsaußen-Flügel seiner Fraktion gestürzt wurde, rechtfertigte seinen Besuch in Palm Beach: Trumps Mitarbeiter hätten ihn gleichsam einbestellt: „Sie sind wirklich beunruhigt.“ Trump esse nichts mehr. Deshalb habe man ihn gebeten, ihn zu besuchen. Cheney: „Was? Du bist nach Mar-a-Lago gefahren, weil Trump nicht isst?“ McCarthy: „Ja, er ist wirklich deprimiert.“
Dass McCarthy gleichsam den Ring des Paten küsste, war nur der Anfang. Tatsächlich war Trump gar nicht depressiv und aß weiter seine Burger und Steaks „well done“. Mar-a-Lago wurde zum Hauptquartier seines Comebacks. Hier empfing er Kongressmitglieder und Kandidaten, die sich für die Vorwahlen seine Fürsprache erhofften.
Hier plante er die Rache an Cheney und anderen. Und hierhin pilgerte auch Mike Johnson, der McCarthy als Sprecher folgte und Trumps Unterstützung bedurfte, um dem Schicksal seines Vorgängers zu entgehen. Gnädig verkündete Trump nach dem Gespräch in Mar-a-Lago, Johnson leiste „sehr gute Arbeit“. Das war das Signal an potentielle Frondeure, das Feuer einzustellen. Johnson ist seither für Trump ein handzahmer Gehilfe.

Anfang 2024 zeigte sich endgültig, wie sehr er die Partei weiterhin kontrollierte. Die Präsidentschaftskandidatur wurde zum Durchmarsch. Mar-a-Lago wurde Sitz des Wahlkampfteams. Seine Leute mühten sich, die Fehler von früher zu vermeiden. In böser Erinnerung war ihnen ein Abendessen in seinem Anwesen kurz vor Thanksgiving 2022.
Der Rapper Kanye West, der sich jetzt Ye nennt, erschien in Mar-a-Lago – an seiner Seite der Rechtsradikale Nick Fuentes, ein damals 24 Jahre alter Holocaustleugner. Als das Dinner mit Trump öffentlich wurde, herrschte Entsetzen unter seinen Beratern. Dieser behauptete freilich, er habe gar nicht gewusst, wer Fuentes sei. In seinem Umfeld beschloss man, dass man Trump schützen müsse – vor sich selbst.
Im Wahlkampf übernahm Susan Wiles diese Aufgabe, eine republikanische Funktionärin aus Florida, die nun die Trump-Kampagne leitete und heute seine Stabschefin im Weißen Haus ist. Sie wurde zur Torwächterin. Das ging in der Regel gut. Doch gab es eine Ausnahme: Laura Loomer, eine rechtsradikale Verschwörungstheoretikerin, die eine Zeit lang nicht von Trumps Seite wich. Sie soll ihm vor der TV-Debatte mit Kamala Harris im vergangenen September den Floh ins Ohr gesetzt haben, dass haitianische Migranten die Katzen und Hunde von Amerikanern in Ohio verspeisten.
Musk war wie ein Gast, der einfach nicht nach Hause ging
Je näher die Wahl im November rückte, desto mehr wurde ein anderer Buddy zum Problem für Trumps Berater. Der Kandidat hatte im Wahlkampf einen Narren an Tech-Milliardär Elon Musk gefressen, der Trump und andere Republikaner mit insgesamt 288 Millionen Dollar unterstützte. Zur Wahlparty lud Trump ihn nach Mar-a-Lago ein. Auch nach dem Sieg war er fast täglich in Palm Beach.
Trumps Leute reagierten entnervt: Musk sei wie ein Gast, der einfach nicht nach Hause gehe. Kai Trump, die Tochter von Don junior, Trumps ältestem Sohn, postete Fotos vom Golfen mit Musk und nannte ihn „Onkel Elon“. Über sie, Trumps Enkelin, erhält die Welt zuweilen ein wenig Einblick hinter die Tore von Mar-a-Lago. Auf ihrem Youtube-Kanal teilt sie Videos über ihren Großvater, mit dem sie viel Golf spielt.
Mar-a-Lago ist mehr als nur das Zentrum der MAGA-Welt. Es ist der Palast eines Sonnenkönigs. Nur so lässt sich verstehen, warum Trump die FBI-Razzia in seinem Anwesen, bei der Beamte kistenweise geheime Dokumente in entlegenen Badezimmern entdeckten, so empörte: Er betrachtete sie nicht nur als Teil der politischen Verfolgung gegen ihn, wie die Verfahren in New York und Washington, sondern als Eingriff in seinen Schutzbereich.
Mar-a-Lago ist auch für viele Freunde Trumps ein magischer Ort. Als Steve Witkoff, sein alter Kumpel aus der New Yorker Immobilienszene, der nun als Sondergesandter dient, kürzlich im Élysée-Palast in Paris war, sagte er völlig ironiefrei, es sehe hier aus wie in Mar-a-Lago.