Tausende Fans feiern die Spieler des FC Bayern bei ihrer Meisterfeier im Münchner Rathaus. Emotionaler Höhepunkt: Als Thomas Müller ein letztes Mal auf den Balkon tritt. Seine Rede? Launig, emotional – typisch Müller. Das Klubidol leistet sich zudem eine besondere Spitze.
Seit dem frühen Sonntagvormittag harren Tausende Menschen bereits vor dem Münchner Rathaus auf dem Marienplatz aus. Etliche Kinder, Erwachsene von jung bis alt, viele in Trikots des FC Bayern. Bei trockenem Wetter, lauter DJ-Musik und Feierstimmung warten sie auf die Mannschaft. Eine große Party mit familiärer Stimmung. Ab 14 Uhr richtet sich ihr Blick immer erwartungsvoller hoch zum Rathausbalkon, die Handys sind gezückt.
Um 14:15 Uhr betreten dann die Fußballerinnen des FC Bayern in bordeauxroten Dirndln gekleidet und mit Meisterschale sowie DFB-Pokal in den Händen den Balkon und lassen sich für das Double feiern. Und dann, um 14.24 Uhr, ist es so weit: Manuel Neuer rennt mit der Meisterschale auf den Balkon und animiert die Fans, ihm folgt Joshua Kimmich, der die Meisterschale an Harry Kane übergibt.
Für den Engländer ein besonderer Moment: Zum ersten Mal darf er einen Titel den Fans präsentieren. Er strahlt mit der Meisterschale auf dem Rathausbalkon, für den Superstar ist es der erste Titel seiner Profikarriere überhaupt.
Ein Spieler nach dem anderen folgt nun. Um 14.40 Uhr dann der emotionale Höhepunkt. Klub-Zeremonienmeister und Stadionsprecher Stephan Lehmann kündigt die Vereinsikone an, blickt sich um, zum Eingang auf den Balkon. „Da steht er und grinst, der Sauhund, der greisliche“. Schlussendlich tritt Thomas Müller als letzter Profi auf den Balkon, die Masse feiert. „We are the Champions“ ertönt aus den Lautsprechern.
Etwa 15.5000 Fans sind diesem Zeitpunkt auf dem Marienplatz. Auf dem Balkon schunkeln die Stars, in der Mitte steht Müller mit der Schale. Es ist die letzte Meisterfeier seiner Spielerkarriere mit den Bayern. In einer Saison, in der der große Traum vom Triple durch das Pokal-Aus früh zerplatzte und in der durch das Scheitern im Viertelfinale der Champions League die Meisterschaft angesichts der hohen Bayern-Ansprüche ein Trostpflaster ist.
In der aber, und das gehört auch zur Wahrheit, Vincent Kompany vom Notnagel zum Glücksgriff avancierte. Der belgische Trainer hat es geschafft, den Klub zu einen und will in München eine Ära prägen. Der Meistertitel soll erst der Anfang sein.
Thomas Müller: „Werde nicht vom Erdboden verschluckt“
Eine der ersten Bayern-Größen, die an diesem Sonntag im Rathaus auftauchte, war um kurz nach 13 Uhr Ehrenpräsident Uli Hoeneß. Seine Worte galten erst einmal Müller. „Thomas spielt seit der Jugend für den FC Bayern“, sagte Hoeneß über den 35 Jahre alten Offensivspieler, „er verkörpert das Mia san Mia.“ Für Müller ist es an diesem Tag die letzte Meisterfeier mit den Bayern. Noch die Klub-WM vom 14. Juni bis 13. Juli in den USA – dann ist nach einem Vierteljahrhundert Schluss bei seinem Herzensverein. Ob Müller bei einem anderem Klub im Ausland weiterspielt, lässt er noch offen.
Um 13.43 Uhr tauchte dann Harry Kane auf und bringt die Meisterschale ins Rathaus, gefolgt von Müller – wie viele andere Spieler mit Sonnenbrille auf der Nase. Die Partynacht zuvor war lang, jetzt erfüllen sie Autogrammwünsche der Fans.
Anschließend ehrt Münchens Bürgermeister Dieter Reiter den FC Bayern im Saal des Rathauses. „Glückwunsch!“, sagt er. „Wir sprechen nicht über Ibiza. Nicht über Politik. Die Meisterschaft ist eine großartige Leistung.“ Danach bekommt Müller im Saal das Mikrofon. Er bedankt sich und sagt: „Ich werde nicht vom Erdboden verschluckt.“ Meint, dass er künftig nicht aus der Welt ist, auch wenn er nicht mehr für die Bayern spielt.
„Merci, servus, bye bye“, sagt Thomas Müller
Später, als sich die Spielerinnen und Spieler auf dem Balkon feiern lassen, nachdem Kane und Glódís Perla Viggósdóttir, Kapitänin der Frauenmannschaft, mit den Fans „Sweet Caroline“ angestimmt haben und die Teams oben sowie die Fans unten Polonaise zu „Der Zug hat keine Bremse“ getanzt haben, spricht Müller zu den Fans. Er trägt eine braune Smart-Sonnenbrille, in der Kameras integriert sind, mit denen man Fotos und Videos machen und auf sein Smartphone übertragen und online posten kann.
„Ich habe schlechte Nachrichten“, beginnt er, „ich habe heute keinen Witz dabei.“ Eine Anspielung an sein letztes Heimspiel für den FC Bayern vor zwei Wochen, als er nach der Partie gegen Borussia Mönchengladbach über das Stadionmikrofon einen Beerdigungswitz zum Besten gegeben hatte. Ein kurioser Moment.
Jetzt sagt er statt eines Witzes. „Ich wollte mich natürlich noch mal bei euch bedanken für all die wunderschönen Jahre. Ich wünsche mir, dass ihr die Mannschaft und natürlich auch den Klub, die Mädels, die Jungs, dass ihr alle unterstützt auch in den nächsten Jahren. Wir geben wirklich unser Herzblut. Wir haben in beiden Mannschaften junges, dynamisches Blut; Leute, die wissen, was der FC Bayern wert ist, was er bedeutet. Auch für die Stadt, auch für die Menschen. Dementsprechend: Unterstützt uns mit allem, was Ihr habt. Merci, servus, bye bye.“
Und dann kann er sich noch einen Seitenhieb nicht verkneifen. „Wir sind alle Menschen, teilweise zumindest. Und gerade auf unserem Trip nach Ibiza – schön war es, super!“ Applaus brandet auf. Die Ibiza-Reise einiger Bayern-Spieler hatte Anfang der Woche für teils heftige Kritik gesorgt, was Müller schon am Samstagabend angeprangert hatte. Auf dem Balkon sagte er jetzt grinsend: „Da sollten sich vielleicht mal einige Mannschaften eine Scheibe abschneiden, wenn sie auch mal 4:0 gewinnen wollen.“ 4:0 – so lautete der Endstand nach dem Ibiza-Trip im Spiel auswärts gegen die TSG Hoffenheim.
Apropos Ibiza. „Wir haben dort, am Lagerfeuer sitzend, einen Lieblingssong entwickelt“, fährt Müller fort. „Und Harry Kane würde ihn gern hören.“ Es sei ein Good-Feel-Song, kündigt Müller an: Der DJ legt „Follow me“ von Uncle Kracker auf. Kane gestellt sich zu Müller. Dann singen sie Arm in Arm.
Kurz danach verschwindet das Bayern-Idol vom Balkon und taucht am BR-Mikrofon auf. Er wette, sagt Moderator Markus Othmer, dass dies nicht der letzte Auftritt Müllers auf dem Balkon mit den Bayern war. Thomas Müller grinst. „Du kannst wetten“, sagt er. „So viel du möchtest. Du bist ja volljährig.“
Zum Ende noch mal ein typischer Müller.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Als FCB-Reporter ist es die elfte Meisterschaft des Klubs, die er erlebt. Bei der Ersten war Jupp Heynckes Trainer.