Die Ankündigung von Mercedes, Arbeitsplätze von Deutschland nach Ungarn zu verlagern, stößt auf Kritik. Anton Hofreiter, Chef des Bundestags-Europa-Ausschusses: „Dieser Schritt ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass deutsche Großkonzerne häufig naiv mit Autokratien umgehen. Wir beobachten in Ungarn eine klassische Entwicklung: Zunächst hat die ungarische Regierung deutsche mittelständische Unternehmen massiv unter Druck gesetzt, mit dem Ziel der Enteignung.“
Hohe Abgaben für deutsche Mittelständler
Hofreiter meint damit die repressive Politik von Ungarns Regierung auf deutsche mittelständische Unternehmen. Etwa durch hohe Abgaben, Sondersteuern oder staatlich festgesetzte Niedrig-Preise. Der russlandfreundliche Premier Viktor Orbán hatte mehrfach gesagt, der Anteil ausländischer Unternehmen müsse sinken. Deutschlands Autoindustrie drohe nun „das nächste Opfer dieser Strategie zu werden“ nachdem sie „jede Maßnahme zum Schutz der Unternehmen verhindert hat“, so Hofreiter.
Zudem sieht der Spitzen-Grüne in Ungarn offenbar eine Art Brückenkopf Chinas: „Ungarn öffnet der chinesischen Führung Tür und Tor. Es gibt Hinweise, dass Ungarn China beim Abfluss von technischem Wissen hilft. Die deutsche Autoindustrie ist nicht gezwungen, ihre Produktionskapazitäten nach Ungarn zu verlegen, es gibt eine Reihe anderer Staaten, die verlässliche Partner sind. Ich habe große Zweifel, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung hier aufgeht.“
Mercedes: Werk schafft Wohlstand
Ein Mercedes-Sprecher verweist auf den wirtschaftlichen Erfolg des 2012 gegründeten Werks Kecskemét und dessen Beitrag „zum Wohlstand der Menschen und der Region.“ Der Standort mit mehr als 4.500 Mitarbeitern sei „zentraler Bestandteil“ des „internationalen Produktionsnetzwerkes“. Der Sprecher weiter: „Wir stehen – so wie in unserem internationalen Produktionsnetzwerk üblich – mit der Regierung im konstruktiven Austausch. Das ungarische Außen- und Handelsministerium sowie die Stadt Kecskemét unterstützen die Entwicklung des Standorts aktiv.“
Zwischen 2022 und 2026 investiert der Hersteller dort mehr als eine Milliarde Euro, vor allem in „Flexibilisierung der Produktionslinien, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.“ Es entstehen zwei komplett neue Gebäude für die neuen Karosserie- und Montagelinien. Gleichzeitig erfährt die neue, zweite Lackierung am Standort eine umfangreiche Modernisierung. Die Stuttgarter hätten sich „auch vor dem Hintergrund der EU-Mitgliedschaft Ungarns für den Standort entschieden.“
Mercedes unterhalte Geschäftsbeziehungen in mehr als 150 Länder. „Vor dem Hintergrund der Globalisierung und der wirtschaftlichen Verflechtungen unserer Zeit setzen wir weiterhin auf Dialog und konstruktive Zusammenarbeit. Termine mit unterschiedlichen, unter anderem politischen Stakeholdern, gehören daher zum Tagesgeschäft bei Mercedes-Benz. “ Bei der Einhaltung der „Leitlinien für die weltweiten Wirtschaftsbeziehungen“ baue Mercedes auf die „Expertise der Politik“.
BMW baut neuen iX3 in Ungarn
BMW will im Herbst sein Werk im ungarischen Debrecen eröffnen, dort den neuen iX3 produzieren. Ein BMW-Sprecher erklärt das Engagement dort so: „Ungarn ist seit 2004 Mitglied der EU und integraler Bestandteil der europäischen Gemeinschaft. Auch mit der europäischen und deutschen Automobilindustrie besteht seit Langem eine enge wirtschaftliche Beziehung. Das Land spielt eine wichtige Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung und der europäischen Einigung. Ungarn hat folglich eine enorme Bedeutung für die Europäische Union und Deutschland.“
Die Entscheidung für einen neuen Werksstandort basiere „im Wesentlichen auf Kriterien wie einer hervorragenden Infrastruktur, einer guten logistischen Anbindung, einem Lieferantennetzwerk und qualifizierten Arbeitskräften.“ Die Investition in ein neues Werk sei eine „langfristige, auf Jahrzehnte ausgelegte Entscheidung.“
Ungarn-Pionier Audi
Als Ungarn-Pionier gilt Audi. Die Ingolstädter haben ihr Werk in Győr vor 32 Jahren in Betrieb genommen, produzierte dort vergangenes Jahr 179.710 Audi Q3 in verschiedenen Ausführungen sowie 1.580.991 Antriebe. Der Standort 125 Kilometer südöstlich von Wien sei „als eines der größten Antriebswerke weltweit ein wichtiger Teil unseres Produktionsnetzwerks und spielt auch auf dem weiteren Weg zur Elektrifizierung eine bedeutende Rolle“, so ein Sprecher.
Die Kooperation mit Standorten und Lieferanten basiere „auf unseren Unternehmenswerten und -grundsätzen. Wo wir tätig sind, leben und vertreten wir unsere Werte. Als überzeugte Europäer unterstützen wir die europäische Idee und die Grundwerte des zivilgesellschaftlichen Miteinanders konstruktiv. Für uns ist die EU mehr als ein Binnenmarkt oder ein Produktionsstandort, sondern vielmehr eine Wertegemeinschaft, in der die Unternehmen produktiv, erfolgreich und nachhaltig arbeiten können.“