Mit einem Lächeln verabschiedete sich Jannik Sinner am Sonntag aus Rom. Es war zwar nicht das breite Grinsen eines Siegers, das trug neben ihm der Spanier Carlos Alcaraz auf dem roten Sand des Foro Italico. Aber Sinner war die Freude dennoch anzusehen, als er dem Publikum zum Abschluss noch die Anekdote erzählte, dass sein Bruder Mark am Sonntag lieber das Formel-1-Rennen in Imola verfolgt habe, als ihm bei seinem Tennismatch zuzusehen. Herzlich dankbar sei er dafür, sagte Sinner im Scherz, und konnte sich damit trösten, dass er in Rom auch ohne seinen Bruder eine enorme Zuneigung genoss.
Einen besseren Ort als die Hauptstadt hätte sich der Italiener nicht aussuchen können für seine Rückkehr in den Sport nach drei Monaten Dopingsperre. Dass das alles kein Zufall ist, dass sich Sinner zwei Wochen lang in einer Wohlfühloase zurück in die Weltspitze spielen konnte, ist die eine Geschichte: Ein wenig fragwürdig bleibt es weiterhin, dass der Anti-Doping-Kampf im Tennis auf eine Art und Weise geführt wird, die der umjubelten Nummer eins der Weltrangliste anscheinend nicht zu viele Steine in den Weg legte beim Traum-Comeback. Dass Sinner im März 2024 zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet und dafür im Jahr 2025 drei Monate gesperrt worden war, genau zwischen zwei Major-Turnieren, war allerdings nicht mehr das Thema dieser zwei Wochen.

:War was?
Jannik Sinner bestreitet nach der Dopingsperre sein erstes Turnier, doch verändert hat sich wenig. Der Italiener ist weiterhin die Nummer eins der Welt – und der Heimvorteil macht es ihm leicht.
Die Dopingakte ist bereits jetzt fast in Vergessenheit geraten, das ist eine Erkenntnis aus Rom, wo andere Schlagzeilen über Sinner dominierten. Es ging gar nicht einmal ausschließlich um den Sport: Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigten oft nicht den roten Sand im Hintergrund. Eine Audienz beim tennisaffinen Papst Leo XIV. erhielt Sinner zum Beispiel, er überreichte einen Schläger und nahm die Berichte mit Namenswitzen gleich auch noch mit (Sinner, englisch für Sünder, beim Heiligen Vater …). Am Mittwochabend dann fand er sich im Stadio Olimpico ein, wo sein Herzensverein im Fußball, Milan, das Pokalfinale verlor. Sinner wurde während der Übertragung häufiger eingeblendet als so mancher Fußballer auf dem Feld, er wurde von einer Schar Paparazzi und Blitzlichtgewitter im Stadion empfangen und verabschiedet. Die Sinner-Manie hat in Rom eher eine neue, bisweilen hysterische Ebene erreicht – was ohne die sportliche Bilanz allerdings auch nicht möglich gewesen wäre.
Herausragendes Tennis spielte Sinner die gesamten zwei Wochen über. Erst im Halbfinale verlor er zum ersten Mal einen Satz. Die größte Demonstration der Stärke des Südtirolers war bereits im Viertelfinale erfolgt: Am Donnerstag, nach dem Tag bei Papst und Fußball, schickte Sinner im Viertelfinale Casper Ruud mit 6:0 und 6:1 vom Feld. Der Norweger spielte bis dahin wochenlang in ausgezeichneter Form und gilt als grundsätzlich unbequem genug, um Sinner zumindest zu gefährden. Diesmal war es ein Klassenunterschied: „Du hattest ihn beinahe“, schrieb der Amerikaner Taylor Fritz später sarkastisch bei Instagram an Ruud.

Es war fast symptomatisch für Sinners Rückkehr: Vor seiner Dopingsperre, bei den Australian Open, wirkte er der Konkurrenz bereits beachtlich enteilt, und das setzte sich nun fort. Überraschend war das nicht, Alexander Zverev etwa hatte schon vor Turnierbeginn in Rom gesagt, Sinner sei „ja nicht verletzt gewesen“, sondern hätte einfach nur „drei Monate freigehabt“. Dass ihm das Comeback mit einer derartigen Wucht gelingen würde, war dennoch kaum vorhersehbar gewesen, nicht einmal für ihn selbst, versicherte auch Sinner immer wieder. Nur der Pokal blieb ihm eben verwehrt.
Es benötigte das Finale am Sonntag, um die derzeitigen Grenzen Sinners zu erkennen. Sie werden vom Gegner Carlos Alcaraz gezogen, der zumindest auf dem roten Sand weiterhin „eindeutig der beste Spieler der Welt ist“, wie Sinner selbst bestätigte. Das Ergebnis von 7:6 und 6:1 klang zwar am Ende etwas zu deutlich für eine hart umkämpfte Partie. Aber Alcaraz gelang es immerhin, eine Woche vor dem Beginn der French Open den richtigen Ton zu finden. Auf dem Platz, aber auch daneben.
Sinners freundliche Wohlfühlrückkehr in Rom, die den Italienern bisweilen suggeriert wurde, der Südtiroler schwebe auf rosa Wolken durch die Tenniswelt, unterbrach der Spanier nämlich schon am Samstag deutlich. Beide schätzen einander laut Alcaraz weiterhin, eine klare Aussage aber hatte er dennoch parat, die aus Rom bleibt, vielleicht mehr noch als das Ergebnis auf dem Tennisplatz: „Wir sind keine Freunde, sondern Rivalen.“