Die Harvard-Universität darf weiterhin internationale Studenten aufnehmen. Die Eliteuni ging damit erfolgreich gegen einen Erlass des amerikanischen Präsidenten vor, der ein pro-palästinensisches Umfeld und die Gefährdung jüdischer Studenten beklagt hatte.
Ein US-Bundesgericht hat den von der Regierung verfügten Stopp der Aufnahme ausländischer Studenten an der Universität Harvard blockiert. Die am Freitag erlassene einstweilige Verfügung hindert die Regierung daran, Harvard die Zulassung für ein Bundesprogramm zu entziehen, das es der Hochschule ermöglicht, internationale Studenten mit einem Visum zum Studium in den USA einzuschreiben. Die Uni hatte die Klage vor dem US-Bezirksgericht in Massachusetts eingereicht.
Das Vorgehen des US-Heimatschutzministeriums verstoße gegen die Verfassung und werde unmittelbare und verheerende Auswirkungen für Harvard und mehr als 7000 Visumsinhaber haben, hieß es in der Klage vom Freitag. Harvard forderte das Gericht auf, die Umsetzung der Maßnahme per einstweiliger Verfügung zu stoppen.
Das Ministerium hatte der Eliteuniversität am Donnerstag die Aufnahme ausländischer Studenten untersagt und ihr vorgeworfen, ein unsicheres Umfeld geschaffen zu haben, weil sie antiamerikanischen, pro-terroristischen Agitatoren erlaube, jüdische Studenten auf dem Campus anzugreifen. Außerdem arbeite die Universität mit der Kommunistischen Partei Chinas zusammen. Beweise dafür blieb das Ministerium schuldig.
Harvard nannte den Einschreibungsstopp eine politische Vergeltungsmaßnahme, weil sich die Universität politischen Forderungen des Weißen Hauses widersetze. Auf dem Harvard-Campus in Cambridge im Staat Massachusetts sind fast 6800 Ausländer eingeschrieben. Das entspricht mehr als einem Viertel der Studierenden.
Die „New York Times“ hatte zuerst unter Berufung auf den Brief des Heimatschutzministeriums berichtet. In dem Artikel heißt es, dass rund 27 Prozent der Studentenschaft aus dem Ausland stammen, das sind insgesamt etwa 6800 Studenten in diesem Jahr.
„Die Führung von Harvard hat ein unsicheres Campus-Umfeld geschaffen, indem sie antiamerikanischen, pro-terroristischen Agitatoren erlaubt hat, Einzelpersonen, darunter viele jüdische Studenten, zu belästigen und körperlich anzugreifen und das einst ehrwürdige Lernumfeld anderweitig zu behindern“, teilte das Heimatschutzministerium zuvor in einer Erklärung zu dem erlass mit mit. „Das bedeutet, dass Harvard keine ausländischen Studenten mehr immatrikulieren kann und dass ausländische Studenten die Universität wechseln müssen oder ihr Aufenthaltsrecht verlieren“.
Für viele US-Universitäten sind die Einnahmen durch internationale Studenten ein bedeutender Teil des Budgets – nicht zuletzt, weil sie oft deutlich höhere Studiengebühren zahlen als inländische Studenten.
Damit Hochschulen in den USA internationale Studenten aufnehmen dürfen, benötigen sie eine Zertifizierung im Rahmen des sogenannten Student and Exchange Visitor Program (SEVP), das vom Heimatschutzministerium verwaltet wird. Diese Zertifizierung wollte das Ministerium Harvard nun entziehen.
Dem Schritt war Mitte April ein Schreiben von Heimatschutzministerin Noem vorausgegangen. Darin forderte sie Harvard auf, bis Ende April detaillierte Informationen zu ausländischen Studenten vorzulegen – unter anderem zu möglichen illegalen Aktivitäten, Protestbeteiligungen oder Verstößen gegen Visa-Vorgaben. In einem weiteren Schreiben erklärte Noem nun, Harvard sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen – deshalb werde die Zertifizierung entzogen. Sie gab der Hochschule 72 Stunden Zeit, um ihren Forderungen doch noch zu erfüllen.
Ein Sprecher der Universität im Bundesstaat Massachusetts bezeichnete das Vorgehen der Regierung in einer E-Mail im Vorfeld als „rechtswidrig“. Es war von einer „Vergeltungsmaßnahme“ die Rede, die Harvard und den Vereinigten Staaten „ernsthaften Schaden“ zufüge und den akademischen Auftrag der Hochschule sowie ihre Forschung untergrabe. „Wir setzen alles daran, Harvards Fähigkeit zu bewahren, internationale Studenten und Wissenschaftler aus mehr als 140 Ländern aufzunehmen“, hieß es darin weiter.
Hintergrund ist ein Streit zwischen Trump und der Eliteuni. Er bezeichnete sie als „antisemitische, linksextreme Institution“ und warf ihr vor, propalästinensische Proteste auf dem Campus zu dulden. Deshalb hatte seine Regierung Harvard bereits Zuschüsse in Milliardenhöhe gestrichen.
Bundesregierung übt scharfe Kritik
Die Bundesregierung hatte den verordneten Aufnahmestopp für ausländische Studenten an der Harvard Universität als Einschränkung der Demokratie kritisiert. Freiheit der Wissenschaft und internationaler Austausch seien entscheidende Grundlagen für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt, sagte ein Sprecher von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Freitag in Berlin. „Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit sind Einschränkungen der Demokratie selbst.“ Ein Sprecher des Außenministeriums sprach von einer dreistelligen Zahl deutscher Studenten in Harvard. „Insofern werden wir zügig mit den Partnern in den USA die Frage aufnehmen, welche Auswirkungen das auf die deutschen Studierenden hat.“ Man erwarte, dass die Belange und Interessen deutscher Studierender angemessen berücksichtigt werden.
Das Forschungsministerium erklärte, der Beschluss schafft Verlierer auf allen Seiten. Man müsse zusammenstehen. „Europa ist und bleibt ein attraktiver Ort der garantierten Wissenschaftsfreiheit“, habe Forschungsministerin Dorothee Bär in Brüssel deutlich gemacht. „Gleichzeitig geht es natürlich auch darum, Deutschland als einen attraktiven Wissenschaftsstandort zu positionieren.“
Lauterbach: „Großes Mitgefühl für die ausländischen Harvard-Studierenden“
Der Vorsitzende des Bundestags-Forschungsausschusses, Karl Lauterbach (SPD), verurteilte den Vorgang ebenfalls scharf. „Ich habe großes Mitgefühl für die ausländischen Harvard-Studierenden“, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“. „Für sie ist die Nachricht der US-Regierung eine Katastrophe, dass sie dort nun nicht mehr erwünscht sind.“ Lauterbach ist selbst Harvard-Absolvent und war Gastprofessor an der US-Eliteuniversität.
Er hoffe sehr, dass sich die Entscheidung der US-Regierung noch abwenden lasse, sagte Lauterbach. „Aber selbst wenn das möglich ist, geht von der Attacke auf die freie Lehre und Forschung ein abschreckendes Signal aus.“
„Die Angriffe der Trump-Administration auf die Eliteuniversität Harvard sind forschungspolitischer Suizid“, sagte der frühere Minister weiter. „Wenn ausgerechnet die wichtigsten und leistungsstärksten Universitäten absichtlich geschwächt werden, legt man die Axt an bei einem der bedeutendsten Pfeiler für die amerikanische Wirtschaft.“
Deutschland müsse auf die Ereignisse in den USA reagieren, forderte Lauterbach: „Für uns in Deutschland ist das eine Gelegenheit, ausländische Forschende aus den USA zu uns einzuladen. Wir bieten ebenfalls hervorragende Möglichkeiten und Perspektiven nach dem Studium.“ Allerdings müsse die Bundesregierung künftig „noch deutlich mehr Mittel in die 70 deutschen Exzellenzcluster investieren“, sagte er. „Was wir an Forschungsmitteln bislang anbieten, ist im internationalen Vergleich kaum wettbewerbsfähig.“
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