Joe Biden hat eine aggressive Form von Prostatakrebs, die Krankheit hat bereits gestreut. Die Diagnose liefert neues Material für die Debatte, wie und warum die Berater des Ex-Präsidenten dessen kognitive und physische Schwächen vor den Wählern lange geheim gehalten haben.
Der frühere US-Präsident Joe Biden ist an einer aggressiven Form des Prostatakrebses erkrankt. Der Krebs hat bereits gestreut. Diese Eilmeldung erreichte die US-Bürger am späten Sonntagnachmittag Ostküstenzeit.
Die tragische Diagnose kommt just auf dem Höhepunkt einer heftig entbrannten Debatte, warum und wie die Berater um den Ex-Präsidenten dessen lange Zeit offensichtlichen kognitiven und physischen Schwächen mit allerlei Tricks vor den Wählern geheim hielten.
Mehrere neue Bücher enthüllen das Ausmaß der Heimlichtuerei im Weißen Haus. Biden nannte enge Mitarbeiter beim falschen Namen. Er erkannte George Clooney bei einem Fundraiser nicht. Sein Stab erwog, ihn nach einer gewonnenen Wahl in einen Rollstuhl zu setzen, weil er so schlecht auf den Beinen war. Auf Tonbandaufnahmen einer Befragung zur Aufbewahrung von Geheimdokumenten, die jetzt öffentlich wurden, ist ein überforderter Präsident zu hören, der unzusammenhängend und oft vergeblich Fragen zu beantworten versucht.
Im Kern der Debatte steht der Vorwurf, dass die Wähler schon lange Zeit vor Bidens Ausscheiden aus dem Wahlkampf im Juli 2024 erkannt hatten, dass ihr Commander-in-Chief dem mächtigsten Job der Welt nicht mehr gewachsen war. Doch eine Riege führender Demokraten, aus Bidens Vertrauten und seiner Familie habe sich über alle Kritik und Zweifel hinweggesetzt. Auch viele der großen US-Medien hätten Biden geschützt und ihre Arbeit nicht gemacht, weil sie Donald Trump verhindern wollten.
Verantwortungsloses Vorgehen des Biden-Lagers hat Demokraten geschadet
Dass Donald Trump deshalb die Wahl im November gewann, ist dabei ein weit hergeholtes Argument. Gut möglich, dass Trump auch gegen einen anderen Demokraten gewonnen hätte. Wichtiger ist das Argument, dass das verantwortungslose Vorgehen des Biden-Lagers der eigenen Partei schwer geschadet hat. Den Wählern wurde die Möglichkeit verwehrt, ihr demokratisches Vorrecht auszuüben und den Kandidaten für 2024 in den parteiinternen Vorwahlen zu bestimmen. Und das sogar zweimal, weil nach Bidens Rückzug seine Vizepräsidentin Kamala Harris eingesetzt wurde.
Unvermeidlich kommen nun Verschwörungstheorien auf. Biden sei womöglich schon länger an Krebs erkrankt gewesen, aber erst jetzt werde dies bekannt gemacht. Wieder andere werden sich bestätigt sehen, dass sie vor der Wahl 2024 die Demokraten der Heimlichtuerei beschuldigt und einen jüngeren Kandidaten gefordert hätten. Das ist zynisch. Aber zugleich Teil eines Kapitels, das die Demokraten selbst geschrieben haben und das für die USA und die Welt weitreichende Konsequenzen hat.
Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel. Hier finden Sie alle ihre Artikel.