Die AfD ist die zweitstärkste Fraktion im Bundestag, erhält aber nicht den zweitgrößten Fraktionssaal. Der bleibt bei der SPD. Mit einer „Legebatterie“ als Alternative will sich die AfD nicht zufriedengeben. Die Fraktion kündigt rechtliche Schritte an.
Nach der Bundestagswahl hatte Debatte um die Verteilung der Fraktionsräume im Bundestag immer mehr hochgeschaukelt. Am Ende zog die AfD den Kürzeren. Die SPD muss ihren Sitzungssaal im Bundestag nicht für sie räumen.
Der Ältestenrat des Parlaments beschloss in Berlin mit Mehrheitsentscheidung, dass die AfD den ehemaligen Sitzungssaal der FDP-Fraktion bekommt. Die SPD-Fraktion kann demnach ihren bisherigen Sitzungssaal, der deutlich größer ist, behalten. Auf ihn hatte die fast auf das Doppelte angewachsene AfD-Fraktion Anspruch erhoben.
Bernd Baumann, Erster Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, kündigte „rechtliche Auseinandersetzungen“ mit Hilfe von Gutachtern an. „Mit allen Mitteln gehen wir dagegen vor, natürlich“, sagte er vor Journalisten in Berlin. Konkreter wurde er aber nicht. Der AfD werde die Fähigkeit zur parlamentarischen Arbeit genommen, sagte Baumann mit Blick auf Enge und Stuhlanordnung im ihr zugewiesenen Raum.
Die AfD hatte bei der Wahl Ende Februar 20,8 Prozent geholt. Jetzt sitzen 151 AfD-Abgeordnete im Bundestag, vorher waren es 77. Als zweitgrößte Fraktion habe man auch Anspruch auf den zweitgrößten Sitzungssaal im Parlament argumentierte die Partei und verlangte einen Umzug in den Saal, den bisher die SPD nutzte, die seit der Wahl mit nur noch 120 Abgeordneten im Bundestag vertreten ist.
Die SPD argumentierte dagegen: Als Regierungsfraktion brauche man den Platz für Besucher aus den Ministerien und die direkte Nähe zum Koalitionspartner CDU/CSU – der Saal der Unionsfraktion liegt direkt neben dem SPD-Saal.
„Otto-Wels-Saal“ ist offiziell Raum „3 S 001“
Und dann ist da noch die Sache mit dem Namen: Die SPD hat ihren Saal „Otto-Wels-Saal“ genannt nach SPD-Chef Otto Wels, der im März 1933 in einer historischen Rede das Nein seiner Partei gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten begründet hatte, mit dem die Demokratie zerstört und den Nazis alle Macht übertragen wurde.
Im Laufe der Debatte war allerdings auch klar geworden, den historischen Namen müsste die SPD gar nicht hergeben. „Der offizielle Name des Saales lautet 3 S 001, nicht Otto-Wels-Saal“, teilte die Bundestagsverwaltung mit. Die SPD könnte demnach den Namen auch mitnehmen und einen anderen Sitzungssaal so nennen.
Er sei erleichtert über die Entscheidung des Ältestenrats, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese. „Die Vorstellung, dass ausgerechnet die gesichert rechtsextreme AfD künftig in diesem Raum tagen sollte, war für meine Fraktion und mich und im übrigen auch für die Familie von Otto Wels unerträglich.“ Eine Großnichte von Otto Wels habe sich bei ihm gemeldet und erklärt, dass sie erleichtert sei.
AfD sitzt nun im ehemaligen FDP-Saal
Vor wenigen Tagen, als sich abzeichnete, wie der Streit ausgehen würde, setzte sich die AfD-Fraktion medienwirksam probeweise in den ihr voraussichtlich zugewiesenen ehemaligen FDP-Saal, um zu zeigen, wie eng es ist. Abgeordnete sprachen unter anderem von einer „Legebatterie“. Es kam die Frage auf, ob Brand- und Arbeitsschutzvorgaben eingehalten würden. Von der Bundestagsverwaltung hieß es auf Nachfrage, der Bestuhlungsplan sei von einem Brandschutzgutachter geprüft und freigegeben worden.
Normalerweise einigen sich die Fraktionen über die Aufteilung der Räume im Bundestag. Weil das dieses Mal nicht passierte, kam es am Ende zur Abstimmung im zuständigen Ältestenrat, einem Gremium erfahrener Abgeordneter, das sich um Organisatorisches und Streitfragen kümmert. Die Sitze dort sind nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen verteilt. Die anderen Parteien entschieden dort mit ihrer Mehrheit gegen den Umzug der AfD in den bisherigen SPD-Sitzungssaal.
Die AfD reagierte mit scharfer Kritik. „Hier wird mit primitivsten Mitteln versucht, die stärkste Partei und größte Opposition zu schikanieren“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Stephan Brandner und sprach von einer „Schande für den Parlamentarismus“. Linken-Politiker Christian Görke konterte und warf der AfD einen „inszenierten Raumstreit auf dem Niveau Große Kindergartengruppe“ vor.
dpa/sebe