Am Sonntag hat der Fußballtrainer Francesco Farioli viel geweint. Der 36 Jahre alte Italiener heulte vor der Tribüne, in der Pressekonferenz und während eines TV-Interviews. Am Montag weinte er nicht mehr. Da verkündete der Coach seinen Abschied von Ajax Amsterdam nach nur einem Jahr, zwei Jahre vor dem eigentlichen Ende seines Vertrags.
Die Tränen des Trainers verrieten viel über die Gefühlslage bei Ajax. Zwar hatte man zum Saisonende Twente Enschede 2:0 besiegt und sich erstmals seit drei Jahren wieder für die Champions League qualifiziert, aber Meister geworden ist Ajax nicht. Schon im dritten Jahr nacheinander nicht. Und das ist schlimm für den niederländischen Rekordmeister.

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Beim 36. Titel im Jahr 2022 hieß der Trainer Erik ten Hag. Er war fünf Jahre lang Ajax-Trainer und holte in dieser Zeit dreimal die Meisterschaft. Dann ging er zu Manchester United. Seither hat Ajax nichts mehr gewonnen. In der Eredivisie wurden sie Dritter, Fünfter und jetzt Zweiter; auch den nationalen Pokal gewannen sie nicht mehr. Über die vergangenen drei Jahre hinweg hatten sie sechs Trainer, und jetzt brauchen sie für die nächste Saison den siebten. Ten Hag ist mittlerweile nicht mehr bei Manchester United. Er ist frei und gilt als Wunschkandidat – aber er ist wohl auch bei anderen Klubs im Visier.
Die Art und Weise, wie Ajax diesmal nicht Meister geworden ist, war besonders schmerzhaft. Das Team hat als Tabellenführer binnen fünf Wochen einen Neun-Punkte-Vorsprung vor dem Verfolger PSV Eindhoven verspielt. Ajax hat von den finalen fünf Saisonspielen nur das letzte gegen Enschede gewonnen. Der sicher geglaubte Titel war bereits vier Tage zuvor am vorletzten Spieltag ziemlich sicher weggegeben worden. In Groningen hatte Ajax in der 99. Minute den 2:2-Ausgleich kassiert, ein Gegentor, das den Favoriten letztlich den Titel gekostet hat. Sie haben die ganze Saison nur 32 Gegentore zugelassen – aber dieses eine in der neunten Minute der Nachspielzeit versagte ihnen am Ende die Meisterschaft. „De groene Hel“ wird das Groninger Stadion im Fußballvolksmund genannt. Durch diese grüne Hölle ist Ajax gegangen.
Ajax ist zuletzt tatsächlich durch die Hölle gegangen in der niederländischen Liga
Am letzten Spieltag dann der Showdown: Ajax besiegte zwar Twente, aber Eindhoven gewann gleichzeitig 3:1 bei Sparta Rotterdam und verteidigte seinen Titel aus dem Vorjahr. PSV-Trainer ist übrigens der aus der Bundesliga bekannte Peter Bosz. Auch er war schon bei Ajax, auch er nur ein Jahr, auch er wurde in der Saison 2016/17 nur Zweiter und ist direkt wieder gegangen. Er wechselte damals zu Borussia Dortmund, wo er nach einem halben Jahr wieder entlassen wurde. Über Leverkusen und Lyon kehrte er zurück in die Niederlande, wo er nun zweimal nacheinander Meister wurde, mit Eindhoven.
In Amsterdam haben sie sich am Sonntag nicht zerfleischt. Es herrschte eher eine wehmütige Stimmung. Die Fans haben nach dem Spiel Fariolis Namen gesungen, der Italiener wurde getröstet. Die Spieler standen in einer Reihe Arm in Arm vor der Tribüne und haben die Gesänge der Fans genossen. Ganz am Ende der Reihe stand der Ajax-Stürmer Wout Weghorst, und als er dort recht nah vom TV-Kameramann gefilmt wurde, schubste er diesen wütend weg.
Am Montag begannen die personellen Aufräumarbeiten. Farioli verkündete seinen Rückzug. Der Technische Direktor Alex Kroes nannte das in der Klubmitteilung „sehr bedauerlich“. Den Bossen soll Fariolis defensiver Spielstil allerdings nicht gefallen haben, und der Verlust einer bereits sicher geglaubten Meisterschaft macht so einen Konflikt gewiss nicht besser. Am Montag sagte Farioli: „Das Management und ich haben die gleichen Ziele für Ajax, aber wir haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie wir agieren wollen, um diese Ziele zu erreichen.“ Auch über die Zusammenstellung des Kaders für die kommende Saison soll es unterschiedliche Ansichten gegeben haben.
Nun muss sich zeigen, wie sehr Fariolis Ruf unter dem katastrophalen Saisonende gelitten hat. Er soll Angebote aus der heimischen Serie A haben. Auch Bayer Leverkusen wurde in Medien immer mal als Interessent genannt, genauso wie Tottenham Hotspur aus London. Farioli kam als Trainer aus dem Nichts. Er war von 2018 bis 2020 in Sassuolo Torwarttrainer unter dem Chefcoach Roberto De Zerbi.
Während sich De Zerbi anschließend in Donezk, Brighton und Marseille einen immer besseren Ruf erwarb, wurde Farioli bei Karagümrük in Istanbul, in Alanya und in Nizza selbst sukzessive zu einem anerkannten Cheftrainer. Auch in Nizza war er nur ein Jahr, führte den Klub als Fünfter aber immerhin in die Europa League. Nirgendwo hat er lange gearbeitet, trotzdem hat er überall Eindruck hinterlassen. Bei Ajax war er der erste ausländische Trainer seit dem Dänen Morten Olsen. Farioli sagte zum Abschied: „Es war ein Privileg, der erste ausländische Ajax-Trainer seit 1998 und hier der erste italienische Trainer überhaupt zu sein.“