Wäre „Gute Miene zum bösen Spiel“ eine olympische Disziplin, wäre Südafrikas Präsident ein heißer Anwärter auf die Goldmedaille. Am Mittwochabend, Ortszeit Washington, stellte sich Cyril Ramaphosa nach einem denkwürdigen Tag noch einmal ausführlich der südafrikanischen Presse, um einen Strich unter seine USA-Reise zu ziehen. Und ohne mit der Wimper zu zucken, sagte er, sein Besuch bei Donald Trump sei alles in allem „ein großer Erfolg“ gewesen: „Wir haben erreicht, was wir uns vorgenommen hatten.“
Es war ein mindestens erstaunliches Fazit. Denn wenige Stunden zuvor war Ramaphosa im Oval Office Opfer eines Überraschungsangriffs geworden, den man so in der Geschichte der Diplomatie wohl noch nie gesehen hat. Als das Treffen etwa 20 Minuten alt war, ließ Trump das Licht dimmen, einen Fernseher hereinrollen und ein Video abspielen. Der Film soll den ungeheuerlichen Vorwurf belegen, den Trump gegen Südafrika erhebt: dass sich am Kap ein Völkermord an weißen Farmern vollziehe. Er sollte Ramaphosa vorführen.
Doch der Gast erwies sich als Großmeister der Selbstbeherrschung. Nach anfänglicher Irritation blieb er ruhig, sachlich und entschuldigte sich kurz nach dem Video sogar dafür, dass er seinem Gastgeber – anders als Katar – kein Flugzeug zum Geschenk machen könne. Ein Scherz auf Kosten Trumps, in diesem Moment, im Weißen Haus: Der Mann hat Nerven. Später entschuldigte sich Ramaphosa auch noch bei den südafrikanischen Journalisten. Er wisse, dass sie auf ein Drama gehofft hätten. Und es tue ihm leid, dass er ihre Erwartungen enttäuscht habe. Ob das wieder ein Scherz war oder Ramaphosas voller Ernst, blieb offen.
Plaudern über Golf – das ist die Strategie des Südafrikaners
Seit Trump zum zweiten Mal US-Präsident ist, befinden sich die amerikanisch-südafrikanischen Beziehungen auf einem historischen Tiefpunkt. Trump stört sich an der Außenpolitik der Regierung in Pretoria, vor allem an ihrer Unterstützung für die Palästinenser. Doch in erster Linie geht es ihm um Südafrikas innere Angelegenheiten: um die Maßnahmen, die seit dem Ende der Apartheid darauf abzielen, die historisch benachteiligte schwarze Bevölkerungsmehrheit in Südafrika wirtschaftlich zu stärken. Trump sieht darin eine Diskriminierung der Weißen – und spricht von einem „Völkermord“ an weißen Farmern.
Seit Februar hat die US-Regierung Strafmaßnahmen gegen Südafrika verhängt. Sie strich dem Land alle Finanzhilfen, wies dessen Botschafter aus und empfing eine Gruppe weißer Südafrikaner als Flüchtlinge in den USA. Trump droht zudem mit Zöllen von 30 Prozent auf südafrikanische Produkte. Auch ein Ende des zollfreien Zugangs zum US-Markt, den Südafrika und andere afrikanische Staaten seit der Jahrtausendwende genießen, steht im Raum. Die USA sind nach China Südafrikas wichtigster Handelspartner, entsprechend wirkungsvoll sind Trumps Drohungen.
Ramaphosas Strategie, um Trump trotz dieser Ausgangslage von einem neuen Deal zu überzeugen, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Golf. Er überreichte Trump einen 14-Kilo-Wälzer mit Südafrikas schönsten Golfplätzen, plauderte über seine Trainingsfortschritte und brachte zwei lebende südafrikanische Golf-Legenden mit ins Weiße Haus: Ernie Els und Retief Goosen. Trump ließ sich tatsächlich ein paar freundliche Worte über die Dichte guter Golfer in Südafrika entlocken. Ramaphosas Strategie ging auf. Bis Trump das Licht dimmen ließ.
Der angebliche Videobeweis für den Völkermord dauert viereinhalb Minuten. Der Film zeigt, zumindest Trump zufolge, ein südafrikanisches Regierungsmitglied, das in mehreren Einstellungen zum Mord an Weißen aufruft, sowie mehr als 1000 an einer Straße in Südafrika aufgereihte weiße Kreuze, die Gräber ermordeter weißer Farmer markieren sollen.
Das angebliche Regierungsmitglied ist Führer einer radikalen Oppositionspartei
Tatsächlich handelt es sich bei den Kreuzen um eine Protestaktion aus dem Jahr 2020, die auf Gewalt gegen Farmer hinweisen sollte. Der vermeintliche Amtsträger ist Julius Malema, Chef der radikalen Oppositionspartei EFF (Economic Freedom Fighters). In den Ausschnitten ist Malema zu sehen, wie er ein umstrittenes Lied aus der Zeit der Apartheid singt: „Kill the Boer, kill the Farmer“ – „Töte den Buren, töte den Farmer“. Buren sind die Nachkommen vor allem niederländischer Siedler, die vom 17. Jahrhundert an nach Südafrika kamen. Ein Gericht entschied 2022, das Lied sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Ramaphosa versicherte Trump, die Politik der südafrikanischen Regierung sei „vollständig gegen“ Malemas Positionen gerichtet. Und er verwies auf die weißen Mitglieder seiner Delegation: die Golfer Els und Goosen, Landwirtschaftsminister John Steenhuisen, den Unternehmer Johann Rupert. Wenn es in Südafrika wirklich einen Völkermord gäbe, so Ramaphosa, wären diese Männer kaum nach Washington gereist, um das Land gegen Trumps Anschuldigungen zu verteidigen.
Es gebe „zu viele Tote“ in Südafrika, sagte der Milliardär Rupert. Doch das betreffe alle Einwohner. Offiziellen Zahlen zufolge waren 2024 unter den mehr als 26 000 Mordopfern in Südafrika acht Farmer. Ramaphosa versprach Trump aber auch, den Vorwürfen nachzugehen.
In Südafrika wurde das dem Präsidenten vereinzelt als zu große Nachgiebigkeit gegenüber Trump ausgelegt. Doch die positiven Stimmen überwogen. „Ein ruhiger Cyril überlebt Trumps Hinterhalt“, titelte etwa The Sowetan aus Johannesburg. „He didn’t get Zelenskyed“, schrieb eine Autorin des Daily Maverick – in Anspielung auf den weitaus schlechteren Ausgang, den im Februar der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Weißen Haus genommen hatte.
Dass Ramaphosas positives Fazit sich aus der Erkenntnis speiste, dass es schlimmer hätte kommen können, ist denkbar. Möglich ist aber auch, dass der Besuch für ihn tatsächlich besser lief, als die Bilder aus dem Oval Office es nahelegen. Denn danach gab es noch ein gemeinsames Arbeitsmittagessen, ohne Kameras. Und da, so Ramaphosa, sei es um die Dinge gegangen, über die er habe sprechen wollen: Handel, Zölle, Investitionen. „Wir hatten ein wirklich gutes Gespräch.“