Europa reagiert besorgt auf die Zolldrohung von US-Präsident Donald Trump. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche fordert „mehr Handel, nicht weniger“. Ein Experte warnt davor, sich vorschnell auf einen schlechten Deal zu einigen.
Im Handelsstreit zwischen den USA und der Europäischen Union hofft die Politik in Deutschland weiter auf eine Verhandlungslösung. „Zollkonflikte kennen keine Sieger. Wir müssen alles dafür tun, dass die Europäische Kommission mit den USA zu einer Verhandlungslösung kommt. Zölle schaden den USA und der EU gleichermaßen“, teilte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit. „Wir brauchen mehr Handel, nicht weniger.“
Auch eine Sprecherin der Bundesregierung betonte, die Verhandlungen zwischen USA und EU-Kommission liefen auf Hochtouren. „Die Bundesregierung unterstützt diese Verhandlungen mit aller Kraft und stimmt sich selbstverständlich eng mit der Europäischen Kommission und den europäischen Partnern ab.“
Außenminister Johann Wadephul (CDU) warnte vor den beiderseitigen Konsequenzen eines Zollstreits mit den USA. „Ich glaube, derartige Zölle helfen niemandem, sondern führen nur dazu, dass die wirtschaftliche Entwicklung in beiden Märkten darunter leiden würde“, sagte er bei einer Pressekonferenz mit seinem indischen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar.
Die Reaktion obliege nun der Europäischen Kommission. „Sie hat unsere volle Unterstützung, indem sie unsere Zugänge zu dem amerikanischen Markt bewahren will“, sagte Wadephul weiter. Es gehe darum, Europa und den europäischen Markt zu verteidigen, aber auch den Gesprächen mit Washington Überzeugungskraft zu entfalten.
„Ein strategischer und wirtschaftlicher Fehler der US-Administration“
US-Präsident Donald Trump hatte sich zuvor für Strafzölle in Höhe von 50 Prozent ausgesprochen. Diese Abgabe für Waren aus der EU solle am 1. Juni in Kraft treten, schrieb der Republikaner auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social. Zu den laufenden Verhandlungen schrieb Trump, dass diese zu nichts führten.
Auch die deutsche Wirtschaft reagierte mit Kritik auf die Drohung. „Dieser Handelskrieg ist ein strategischer und wirtschaftlicher Fehler der US-Administration“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, und fügte an: „Das ist das gleiche Spiel, das auch schon erfolglos gegenüber China versucht wurde.“ Am Ende würden beide Seiten verlieren.
DIHK-Außenhandelschef Volker Treier sieht in der neuen Zollankündigung eine provokante Kehrtwende. Ein Zollsatz von 50 Prozent treffe deutsche Unternehmen mit voller Wucht und schwäche die Welthandelsordnung weiter. Die Dialogbereitschaft der EU müsse trotz dieser Ankündigung des US-Präsidenten aufrechterhalten werden: „Aus Sicht der Wirtschaft ist es entscheidend, dass die EU nicht vorschnell einen schlechten Deal eingeht, der langfristig negative Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland hat.“
Der Präsident des DIW, Marcel Fratzscher, hält die Strategie der EU-Kommission und Deutschlands im Handelskonflikt mit Trump für krachend gescheitert: „Es handelt sich um ein vorhersehbares Scheitern: US-Präsident Trump interpretiert Europas Zaudern, Zögern und Nachgeben als Schwäche, was es auch tatsächlich ist.“ Doch seien die angedrohten Zölle von 50 Prozent auf EU-Produkte möglicherweise noch nicht das letzte Wort.
Im EU-Ausland beobachtet man die jüngsten Entwicklungen sehr genau. Frankreichs Handelsminister Laurent Saint-Martin bezeichnete die Drohung als nicht hilfreich. „Wir bleiben bei unserer Linie: Deeskalation, aber wir sind bereit zu reagieren“, erklärte Saint-Martin weiter auf X.
Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof erwartet nach eigenen Angaben eine ruhige und robuste Reaktion der Europäischen Union auf die Ankündigung möglicher neuer US-Zölle. Eine Reaktion darauf sei Sache der EU-Kommission, sagte Schoof.
„Wir haben bis Anfang Juli Zeit“, sagt ein polnischer Minister
Polens Handelsminister Michal Baranowski äußerte sich beschwichtigend und betonte, dass die Verhandlungen noch liefen. „Die Tatsache, dass wir einige wichtige Aussagen in der Öffentlichkeit sehen, bedeutet nicht, dass sie sich in Maßnahmen der US-Regierung niederschlagen werden.“ Bisher gebe es ein klares Signal, auch auf politischer Ebene, dass die USA und die EU beschlossen hätten, sich mit gegenseitigen Zöllen zurückzuhalten. „Wir haben bis Anfang Juli Zeit, Verhandlungen zu führen, und nach meinem besten Wissen kommen diese Verhandlungen voran“, sagte Baranowski.
Die Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen verhandelt seit Wochen im Namen der Mitgliedstaaten mit den USA. Für den Fall eines Scheiterns hat sie Gegenzölle vorbereitet. Sie sollen US-Produkte im Wert von fast 100 Milliarden Euro treffen.
Reuters/dpa/gub