Humanitäre Lage in Gaza
Bundesregierung erhöht Druck auf Israel
23.05.2025, 15:20 Uhr
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Die deutsche Bundesregierung hat sich bislang mit offener Kritik am Vorgehen Israels im Gazastreifen zurückgehalten. Doch angesichts der humanitären Situation erhöht sie nun den verbalen Druck.
Vor dem Hintergrund des wachsenden menschlichen Elends im Gaza-Streifen geht die Bundesregierung offen auf Distanz zur Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Israel. „Die Situation im Gazastreifen besorgt uns sehr, sowohl was die humanitäre Lage angeht als auch die intensiven Kamphandlungen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille in Berlin. Die Bundesregierung stehe in „intensivem Austausch“ mit der israelischen Regierung und habe „diese Position da auch sehr deutlich gemacht“, sagte er. „Das haben wir der israelischen Regierung sehr deutlich zu verstehen gegeben.“
In den vergangenen Wochen habe es „zahlreiche Kontakte des Bundeskanzlers“ gegeben mit Regierungschef Benjamin Netanjahu sowie mit dem Präsidenten Israels, Jitzchak Herzog, „mit dem Ziel, eine deutliche Veränderung der Situation zu erreichen“. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christian Wagner, ergänzte in der Bundespressekonferenz, die bisherige humanitäre Hilfe sei nicht ausreichend. Eine leichte Verbesserung der Situation sei aber immerhin festzustellen.
Die Regierungssprecher bestätigten mit ihren Einlassungen die verschärfte Haltung, die Bundeskanzler Friedrich Merz bereits am Vortag, während seines Besuchs in Litauen, zum Ausdruck gebracht hatte: „Wir sind sehr besorgt über die Lage im Gazastreifen und auch über die Intensivierung der dortigen militärischen Operationen der israelischen Armee, mehr als besorgt.“
Vizekanzler Lars Klingbeil äußerte sich, ebenfalls am Donnerstag, mit deutlichen Worten: „Niemand darf die Augen verschließen vor dem unermesslichen Leid der Menschen in Gaza und der drohenden Hungerkatastrophe“, erklärte Klingbeil in seiner Eigenschaft als SPD-Vorsitzender. Die Not der Kinder und immer neue zivile Opfer durch die Angriffe der israelischen Armee seien erschütternd. Die Eskalationsspirale, die nach dem Terror der Hamas am 7. Oktober 2023 begonnen habe, müsse endlich enden.
Humanitäres Völkerrecht einhalten
Die Terrororganisation Hamas müsse endlich alle Geiseln freilassen. „Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung, aber muss das humanitäre Völkerrecht einhalten“, so Klingbeil weiter. Die Zivilbevölkerung müsse geschützt werden. Humanitäre Hilfe darf nicht länger behindert werden. „Wir fordern die israelische Regierung auf, alles zu tun, um ihre humanitären Verpflichtungen zu erfüllen.“
In einer Resolution mahnt auch der Bundesrat eine friedliche Lösung des Konflikts an. Es gehöre zur historischen Verantwortung Deutschlands, „sich für die Existenz des Staates Israel einzusetzen, für dessen Sicherheit einzutreten“, heißt es darin. Anlass der Resolution ist der 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.
Vor dem Hintergrund der Lage im Gazastreifen pocht der Bundesrat jedoch auch „auf die Einhaltung des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Völkerrechts durch alle am Konflikt beteiligten Parteien“. Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf eine Deeskalation des Konflikts hinzuwirken.
Bisherige Lieferungen reichen nicht aus
Israel hatte seine fast dreimonatige Blockade humanitärer Hilfsgüter für den Gazastreifen am Sonntag aufgehoben – einige der Lastwagen, die danach ins abgeriegelte Küstengebiet gelassen wurden, standen aber tagelang innerhalb des Gazastreifens nahe dem Grenzübergang, weil die für sie vorgeschlagene Route nach Angaben der UN zu gefährlich war. Israel hatte die Blockade mit der Behauptung begründet, dass die Hamas die Hilfsgüter stehlen und auf dem Schwarzmarkt verkaufen würde, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Die UN halten dagegen, dass Israel dafür keine Beweise vorgelegt habe.
Die bislang angekommenen Mengen reichen Helfern zufolge jedoch bei weitem nicht aus, um die große Not der Menschen vor Ort zu lindern. Die UN und Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot in dem Küstenstreifen.