Viele Menschen im Gazastreifen warten weiter auf überlebenswichtige Hilfsgüter. Zwar haben die UN begonnen, Hilfsgüter an Organisationen vor Ort zu liefern, jedoch stockt die Verteilung aufgrund schwieriger Bedingungen.
Die Vereinten Nationen haben nach eigenen Angaben begonnen, die ersten Hilfsgüter nach zweieinhalb Monaten im Gazastreifen an Hilfsorganisationen zu verteilen. Der Sprecher des UN-Nothilfebüros Ocha, Jens Lærke, sagte, die Waren von 90 der etwa 200 bislang bereitgestellten Lastwagen seien übergeben worden. Dabei handle es sich um Medikamente, Weizenmehl und weitere Nahrungsmittel. Auch Ausrüstung für ein Feldkrankenhaus soll geliefert worden sein.
Die Verteilung der Güter an Menschen sei für die Hilfsorganisationen aber weiterhin schwierig, sagte Lærke und sprach von der Gefahr von Plünderungen und Koordinationsproblemen mit den israelischen Behörden. Zumindest eine Bäckerei im Zentrum des Gazastreifens konnte unterdessen zum ersten Mal seit mehr als einem Monat den Betrieb wieder aufnehmen.
Viel weniger Lieferungen als während Waffenruhe
Vladimir Jovcev vom UN-Welternährungsprogramm sagte, das sei definitiv nicht genug. „Aber wir hoffen, dass die Grenzen offen bleiben und wir in der Lage sein werden, mehr Hilfe zu bringen“, erklärte er. Bis mindestens Samstag sollen jeden Tag 100 Lkw mit Hilfsgütern über die Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen kommen. Nach Angaben der Hilfsorganisationen leiden Zehntausende Menschen unter akutem Hunger.
Laut dem Palästinensischem Roten Halbmond haben die Hilfsgüter aber noch nicht die Menschen im Gazastreifen erreicht: „Kein Zivilist hat bisher etwas erhalten. Die meisten dieser Lastwagen stehen immer noch in Kerem Shalom an der Grenze und werden inspiziert, aber nicht in den Gazastreifen gebracht“, sagte Younis Al-Khatib der Nachrichtenagentur Reuters. Auch er warnte vor Plünderungen und Gefahren für die Hilfsorganisationen.
Einige der Lastwagen, die seit der Aufhebung der Blockade durch Israel am Sonntag ins abgeriegelte Küstengebiet gelassen worden waren, standen tagelang innerhalb des Gazastreifens nahe dem Grenzübergang Kerem Shalom, weil die für sie vorgeschlagene Route nach Angaben der UN zu gefährlich war. Während der Waffenruhe zu Beginn des Jahres kamen täglich rund 600 Lastwagen über die Grenze.
Vorbereitungen auf neues, umstrittenes Verteilsystem
Die für die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen gegründete private US-Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) kündigte unterdessen an, in Kürze ihre Arbeit vor Ort aufzunehmen. Sie werde „die Logistik, die Sicherheit und den Zugang wiederherstellen, den die herkömmlichen Hilfsorganisationen verloren“ hätten, teilte die umstrittene Organisation mit.
Israel will im Süden des Gazastreifens für Hunderttausende Palästinenser eine „sterile Zone“ einrichten, in der es keine militanten Islamisten geben soll. „In dieser Zone, die komplett frei von der Hamas sein wird, werden die Bewohner von Gaza umfassende humanitäre Hilfe erhalten“, sagte Premierminister Benjamin Netanjahu.
Israel führt Militäroffensive weiter
Derweil ging die militärische Offensive Israels im Gazastreifen unvermindert weiter: Am Donnerstag rief die israelische Armee die Bewohner von 14 Gebieten im Norden des Gazastreifens zur Evakuierung auf und warnte, sie werde in den Gebieten mit Härte gegen „terroristische Organisationen und ihre Aktivitäten“ vorgehen.
Auch die Verhandlungen über eine Waffenruhe kommen nicht voran. Israel will deshalb laut israelischen Medien nun alle Unterhändler aus Katar abziehen, wo die Gespräche stattfinden. Am Dienstag hatte Israel bereits das ranghohe Verhandlungsteam zu Beratungen zurückgeholt. Nach Angaben des Büros von Netanjahu blieben zunächst nur die Vertreter der Arbeitsebene in Katars Hauptstadt Doha.
Mehr Engagement von Merz gefordert
Bundeskanzler Friedrich Merz rief die israelische Regierung dazu auf, zu ermöglichen, dass humanitäre Hilfsgüter ohne Verzögerung die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen erreichen. „Wir sind sehr besorgt über die Lage im Gazastreifen und auch über die Intensivierung der dortigen militärischen Operationen der israelischen Armee, mehr als besorgt“, sagte der CDU-Chef in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Man stehe darüber im Austausch mit der israelischen Regierung.
Unterdessen riefen die Grünen Merz zu einem stärkeren Einsatz für mehr humanitäre Hilfe für die notleidende palästinensische Bevölkerung des Gebiets auf. „Kinder und Babys sterben an Hunger. Die Menge an Hilfslieferungen, die die israelische Regierung nur zulässt, ist viel zu gering“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Merz solle das persönliche Gespräch mit Netanjahu suchen, um der Forderung Deutschlands nach mehr Hilfslieferungen Nachdruck zu verleihen.