Fast hätte man den Eindruck gewinnen können in den vergangenen Wochen, dass Christian Werner beim TSV 1860 München gar keinen Kader für die dritte Liga zusammenstellt, sondern für eine „ZAH“, eine Mannschaft von „ziemlich alten Herren“. Doch dann kam am Donnerstag die Nachricht, dass der 19-jährige Abwehrspieler Sean Dulic bleiben wird, und das wiederum bedeutet viel mehr als nur eine Verjüngungskur für den Kader.
Dulic hat es im aktuellen Kalenderjahr schon auf 18 Startelf-Einsätze gebracht, und das Vertrauen des Trainers Patrick Glöckner, der ja auch bleiben wird, voll zurückgezahlt. Er spielte oft so solide, dass es fast ein wenig überraschend anmutet, wenn er in den einschlägigen Transferforen mit einem Marktwert von lediglich 250 000 Euro angegeben wird. Vielleicht spielte er nicht hoch genug, um auf dem Radar der ganz großen Vereine des Landes gesichtet zu werden. Doch sein Verbleib stellt für Werner in jedem Fall einen großen, langfristigen Erfolg dar. Es ging ja auch um eine Verlängerung über seinen bestehenden Vertrag bis 2026 hinaus. „Es ist etwas ganz Besonderes, bei meinem Jugendverein als Profi auflaufen zu dürfen“, so lässt sich Dulic in der Mitteilung zitieren.
In der aktuellen Lage nicht gleich dem ersten Verkaufsimpuls nachzugeben, um den Kader gegenzufinanzieren, hatten mehrere Vorgänger von Werner nicht geschafft. Das wiederum spricht dafür, dass es wirklich gelingen kann, einen schlagkräftigen Kader zu basteln; einen, der nicht allein auf die Promi-Rückkehrer Kevin Volland und Florian Niederlechner zugeschnitten ist, sondern in allen Mannschaftsteilen Qualität hinzubekommt oder behält. „Es werden nicht nur zwei, drei Gesichter sein“, auf die es ankommt, das hatte Kapitän Jesper Verlaat wenige Minuten nach Saisonende gesagt. Das war natürlich in Anspielung auf Volland, Niederlechner und Kilian Jakob gemeint. Auch in den Gesprächen mit Trainer Glöckner soll es vor allem um die Frage gegangen sein, wie wettbewerbsfähig die Mannschaft insgesamt sein wird.
Wenn man Reich abzieht, ist die aktuell bestehende Mannschaft im Schnitt fast 28 Jahre alt
Aber auch, wenn die Verpflichtungen der bekannten Stürmer das suggerieren: Für einen Sechzig-Kaderplaner ist das Leben kein Wunschkonzert, zumal es auch dieses Jahr kaum zu einer Budget-Erhöhung kommen dürfte. Für den Rechtsverteidiger Lukas Reich, 18, ist mehr zu bekommen als für Dulic, und deshalb stehen die Zeichen wohl auf Abschied. Wie der Münchner Merkur berichtet, hatten die Löwen eigentlich einmal langfristig mit Reich geplant – in seinem Fall scheinen aber Zweitliga-Angebote vorzuliegen und ein Transfer lukrativ zu sein.
Wenn man Reich abzieht, ist die aktuell bestehende Mannschaft im Schnitt fast 28 Jahre alt, weil auch Moritz Bangerter, 20 (Wacker Burghausen), und Raphael Ott, 19 (Viktoria Köln), schon verabschiedet wurden. Gleichzeitig wäre es eine Überraschung, wenn Angreifer Patrick Hobsch in München bleiben würde, denn als drittes Rad am Wagen ist er mit elf Saisontoren zu gut für die dritte Liga. Hobsch ist 30, also dürfte im Stürmerbereich der Altersschnitt sinken – noch einen Ü30-Spieler wird Werner kaum verpflichten. Dickson Abiama, der möglicherweise gleich noch einmal ausgeliehen wird, ist 26 Jahre alt und hat zudem den Vorzug, notfalls auf die Flügel ausweichen und das renommierte Sturmduo mit Vorlagen bedienen zu können.
Offen war zum Wochenende noch die Frage nach der neuen Nummer eins. Am Mittwoch hatte Sechzig bekanntgegeben, dass es René Vollath nicht sein wird. Der 35-Jährige hatte schon im Oktober seinen Stammplatz an Marco Hiller verloren, der vergangenes Wochenende tränenreich verabschiedet wurde. Er wird jetzt die Nummer zwei bleiben und vor allem Torwarttrainer werden. Als Stammkeeper kommt ebenfalls noch ein bekannter Rückkehrer infrage: Vitus Eichers Zeit beim 1. FC Heidenheim endet im Sommer, er hatte Sechzig nach dem historischen Doppelabstieg im Jahr 2017 verlassen.
Doch in der dritten Liga laufen mehrere Verträge von Stammtorhütern aus, einen erfahrenen Keeper nach München zu locken, sollte kein Problem sein – er muss ja nicht gleich wieder über 30 sein. Einen knappen Monat haben sie noch Zeit, am 22. Juni ist Trainingsauftakt, am 6. Juli reist die Mannschaft nach Ulrichsberg in Oberösterreich, Saisonstart ist am 1. August. Die Spieler werden nicht jünger, aber gut möglich, dass es der Kader bis dahin noch wird.