Christopher Steinert hat schon so einiges in seinem Sportlerdasein erlebt, zuletzt etwa den Gewinn der Olympia-Silbermedaille in Paris. Doch was der Handballprofi derzeit mitmacht, darauf könnte er problemlos verzichten. So stand er am Sonntag am Dyn-Mikrofon und bezichtigte den Teamkollegen Maciej Gebala der Lüge: Der Kreisläufer hatte in der Halbzeit der Partie seines HC Erlangen beim TVB Stuttgart erzählt, dass ihm der Abstiegskampf so richtig viel Spaß bereite, wurde er vom Reporter informiert, was Steinert nicht so recht glauben wollte: „Ich weiß nicht, ob er da lügt. Es wäre schöner, wenn wir irgendwo im Mittelfeld stehen würden und es um nicht mehr ganz so viel ginge.“ Denn dieser Saisonendspurt sei „schon hart und sehr existenziell“.
Es geht um nicht weniger als den Klassenverbleib für den einzigen bayerischen Handball-Erstligisten – eine Situation, mit der wohl niemand vor Beginn der Spielzeit gerechnet hatte. In der WM-Pause wurde der ohnehin als erstligatauglich eingestufte Kader um den serbischen Nationalspieler Milos Kos und den isländischen Internationalen Viggo Kristjansson aufgewertet, beides Stammkräfte ihrer Landesauswahlen. Es waren auch diese beiden Spieler, die beim 30:27-Auswärtssieg im Schwäbischen die wichtigsten Akzente setzten, sprich: die meisten Tore warfen. Kristjansson traf neunmal, er ist ohnehin bester Schütze beim HCE, Kos steuerte vier wichtige Treffer in der Schlussphase bei. Der norwegische Nationalspieler Sander Overjordet traf auch viermal, allein diese drei Namen sind Beleg für die Qualität im Kader.
Konter, freie Würfe vom Kreis und Siebenmeter: Die Erlanger ließen erneut viele gute Torchancen aus
Auch die Abwehr funktioniert meist auf hohem Niveau, an Einsatz und Moral ist kaum etwas zu kritisieren. Die Achillesferse im Team ist die Chancenverwertung, zumal viele Spiele knapp verloren gingen, auch die Torhüter agieren nicht immer erstligareif. Und so wurde die Partie in Stuttgart erneut eine enge, obwohl die Erlanger in der zweiten Halbzeit stets vorlegten – aber auch wieder Konter, freie Würfe vom Kreis und Siebenmeter liegen ließen. Dieser Kampf mit den Nerven zieht sich durch die Erlanger Saison.
Der Sieg war in der Tat existenziell, denn der Kampf um Platz 16, den letzten Nichtabstiegsplatz, ist so eng wie verbissen. Auf selbigem steht derzeit Erlangen mit 14:48 Punkten, zwei Zähler vor Bietigheim und zwei hinter Stuttgart. Allerdings haben die Mittelfranken bei drei noch ausstehenden Spielen zwei mehr als diese direkten Konkurrenten absolviert, was belastbare Prognosen kaum zulässt. Nur diese: Erlangen spielt noch in Bietigheim und Wetzlar, zwei weitere Siege würden den Ligaverbleib recht wahrscheinlich erscheinen lassen. Aber in dieser so stark besetzten Bundesliga ist alles möglich – das gilt auch für die Erlanger, die zunächst am Mittwoch, 28. Mai (19 Uhr), den Doublesieger Magdeburg empfangen.