Deutschland wächst seit fast drei Jahren nicht mehr, aber der Aktienindex Dax erreicht fast täglich neue Höhen. Wie passt das zusammen? Die Anleger wetten auf eine bessere Zukunft: Sie erwarten, dass das gigantische Finanzpaket der Bundesregierung für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung die deutsche Wirtschaft ankurbeln wird – und dass es der EU gelingt, mit US-Präsident Donald Trump einen Kompromiss im Zollstreit zu finden.
Ähnlich ist auch das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen angelegt: Im Finanzpaket und in der erhofften Beilegung des Zollstreits sehen sie neben Strukturreformen im Sozialsystem die entscheidenden Faktoren für die mittelfristige Rückkehr des Wachstums. Greifen diese Treiber der Konjunktur aber nicht – und das ist nicht unwahrscheinlich – werde die Wirtschaft aus der Agonie nicht herauskommen.
Im Zollstreit ist Berlin auf das Verhandlungsgeschick der EU-Kommission angewiesen, selbst kann sie Brüssel nur unterstützen. Völlig anders sieht es beim Finanzpaket aus, hier kommt es auf die Merz-Regierung an. Sie hat mit dem 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur und der unbegrenzten Verschuldungsmöglichkeit für Verteidigungsausgaben anders als die Ampel formidable finanzielle Voraussetzungen. Sie muss aber die Regeln dafür, wie genau das Geld ausgegeben werden soll, unbedingt richtig setzen und korrekt anwenden.
Aus dem Sondervermögen dürfen nur zusätzliche Investitionen in Straßen, Schulen, Wohnungen und anderes bezahlt werden. Vorhaben, die ohnehin bereits im Haushalt vorgesehen waren, sollten daraus keinesfalls finanziert werden. Auch muss sichergestellt sein, dass sogenannte konsumtive Ausgaben, die das Wachstum nicht steigern, nicht doch indirekt über das Sondervermögen oder die Bereichsausnahme bei der Verteidigung ermöglicht werden.
Das ist im Grundgesetz zwar grob auch so vorgeschrieben. Doch leider ist die Gefahr der Zweckentfremdung der Schuldenmittel trotzdem riesengroß, denn die Regierung hat im regulären Haushalt nicht genügend Geld, um alle erwünschten Ausgaben zu decken. In einem Rundschreiben von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) an die Ministerkollegen zur Haushaltsaufstellung ist die Idee der teilweisen Zweckentfremdung des Schuldenpakets daher bereits angelegt. Wenn aber die Anhebung von Mütterrenten und Pendlerpauschale oder die Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie indirekt doch über das Schuldenpaket finanziert würden, warnen die Ökonomen zu Recht, verpuffe dessen Wachstumseffekt.
Der Ball liegt nun bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Er muss in den Gesprächen mit Klingbeil und der SPD durchsetzen, dass Wahlgeschenke der einen oder der anderen Seite aus dem Koalitionsvertrag auch nicht über Umwege oder durch Haushaltstricks aus dem Schuldenpaket finanziert werden. Merz sollte das bereits kommende Woche im Koalitionsausschuss auf den Tisch bringen.