
Die „Reichsbürger“ sind eine extremistische Gruppe in Deutschland, die die Existenz der Bundesrepublik und ihre Rechtsordnung leugnet. Ihre ablehnende Haltung gegenüber staatlichen Institutionen und Gesetzen führt oft zu Konflikten und rechtswidrigem Verhalten. Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Bekanntwerden der Pläne um die Reuß-Gruppe sowie das Verbot des Vereins „Königreich Deutschland“.
Die Bewegung der selbst ernannten „Reichsbürger“ gibt es seit den 1980er-Jahren. Sie erkennt die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitimen und souveränen Staat an, lehnt ihre demokratische Struktur ab und weigert sich daher auch, Steuern zu zahlen. Sie akzeptiert staatliche Vertreter nicht und lehnt sich teilweise gewaltsam gegen sie auf. Einige Anhänger behaupten, dass das Deutsche Kaiserreich fortbesteht und dessen Verfassung weiterhin Gültigkeit besitzt; andere glauben, im Geheimen seien die Alliierten noch immer Besatzer Deutschlands.
Bei den sogenannten Reichsbürgern handelt sich um eine heterogene Allianz von Einzelpersonen, darunter Adelige, Rechtsextreme, Ärzte, Unternehmer und andere zum Teil konkurrierende Gruppierungen. Betrachtet man deren Zusammensetzung, wird deutlich, dass das Milieu soziale Grenzen überschreitet. Die „Reichsbürger“ sind nicht einheitlich organisiert und unterscheiden sich auch in ihren ideologischen Vorstellungen. Die „Selbstverwalter“ zum Beispiel gehen nicht vom Fortbestand des Deutschen Reichs aus.
Schon lange kämpfen die selbst ernannten „Reichsbürger“ gegen die Rechtskraft von Bußgeld- oder Steuerbescheiden, auch mit Gewalt, zum Beispiel gegen Gerichtsvollzieher. Darüber hinaus gibt es fremdenfeindliche und rechtsextremistische Bestrebungen. Die „Reichsbewegung“ verschickte Drohbriefe an jüdische und muslimische Gemeinden.
Am 13. Mai 2025 hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Vereinigung „Königreich Deutschland“ verboten und Durchsuchungen vom Verein genutzter Gebäude sowie von Wohnungen führender Mitglieder in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen veranlasst. „Königreich Deutschland“ dient laut Dobrindt dem Ziel, einen eigenen Staat zu schaffen, der nach Vereinsangaben auch über eine eigene Polizeigewalt und eigene Gerichtsbarkeit verfügt.
Eine vorherige bundesweite Großrazzia am 7. Dezember 2022 enttarnte eine Gruppe aus dem „Reichsbürger“-Milieu, die Umsturzpläne verfolgte. Die verhafteten Mitglieder der Gruppe um den Frankfurter Geschäftsmann Prinz Reuß wollten ihren Kampf gegen die staatliche Ordnung mutmaßlich mit Gewalt führen, die Regierung übernehmen und eine andere Staatsform etablieren. Es sollten eine neue Regierung und ein militärischer Flügel installiert werden.
Sicherheitsbehörden und -experten halten solche Gruppierungen, die auch zum Teil mit Neonazis und Pegida-Anhängern auf Demonstrationen auftauchen und sich immer weiter vernetzen, für sehr gefährlich. Auch wenn der aktuelle Verfassungsschutzbericht von 2023 einen Rückgang feststellt sowohl bei Straf- als auch bei Gewalttaten (2023: 1.292, 2022: 1.856) – es handelt sich überwiegend um Erpressungs- und Widerstandsdelikte – , waren sie über die vergangenen Jahre insgesamt angestiegen. Die Mehrheit dieser Taten wurde in Bayern verübt.

„Reichsbürger“-Szene bewaffnet und radikalisiert sich
In einigen Fällen schossen selbst ernannte „Reichsbürger“ auf Polizeibeamte. 2016 wurde ein Beamter getötet. In Folge der großen Razzia im „Reichsbürger“-Milieu Anfang Dezember 2022 kam es am 22. März 2023 in sieben Bundesländern und der Schweiz zu weiteren Hausdurchsuchungen, bei denen in Reutlingen ein Polizist von einem „Reichsbürger“ angeschossen wurde.
Dringend ernst zu nehmen ist die „Reichsbürger“-Szene auch deshalb, weil sie zum Teil Zugang zu zentralen Institutionen des Staates hat, wie etwa zur Bundeswehr und zum Bundestag. Auch aktive und ehemalige Bundeswehrsoldaten mit Spezialausbildung (KSK) und die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann gehörten zu den bei der Razzia im Dezember 2022 Beschuldigten.
Der Terrorismusexperte Peter R. Neumann spricht von einem „Sumpf“. Die Netzwerke der Reichsbürger seien gefährlich und oft bewaffnet. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) nannte im Zuge der Maßnahmen gegen „Königreich Deutschland“ die Reichsbürger Feinde der Demokratie und warnte davor, sie als harmlose Sonderlinge abzutun.
„Königreich Deutschland“ gilt als mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“. Bundesweit soll die Organisation nach eigenen Angaben etwa 6.000 Anhänger haben. Das Bundesinnenministerium geht eher von 1.000 Personen aus.
Bei den Durchsuchungen am 13. Mai 2025 in sieben Bundesländern gegen Mitglieder des Vereins wurden keine Waffen gefunden. Anders als bei anderen Gruppierungen der „Reichsbürger“-Szene, wurde das auch nicht erwartet. Der Schwerpunkt von „Königreich Deutschland“ liegt vor allem im wirtschaftskriminellen Bereich. Der Verein will sich laut Innenministerium ausdrücklich von der Bundesrepublik Deutschland abspalten, negiert die Existenz der BRD und hängt Verschwörungstheorien – auch antisemitischen – an.
Zur Begründung des Verbots des Vereins „Königreich Deutschland“ und mehrerer Unterorganisationen erklärte das Bundesinnenministerium zudem, dass die Organisation seit Jahren unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte betreibe, trotz fortgesetzter Zwangsmaßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin. Zum Verstoß gegen Kreditwirtschafts- und Versicherungsaufsichtsrecht kommen laut Innenministerium weitere Verstöße gegen Strafgesetze, Volksverhetzungen, Verunglimpfungen des Staates, Urkundenfälschungen durch Ausgabe eigener Legitimationsdokumente hinzu.

Gründer Peter Fitzek ernannte sich selbst zum König
Vier Männer wurden im Zuge der Razzien festgenommen. Darunter auch der ehemalige Koch Peter Fitzek, der die Vereinigung nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2012 in Wittenberg gegründet hatte. Fitzek versteht sich als sogenannter Oberster Souverän der Organisation. Der Generalbundesanwalt, der wegen besonderer Bedeutung das Verfahren an sich gezogen hat, führt „Königreich Deutschland“ als kriminelle Vereinigung. Die beschlagnahmten Daten und Dokumente werden nun ausgewertet. Weitere Haftbefehle könnten laut Innenminister Dobrindt folgen.
Es gibt mehrere Klagen und Prozesse gegen Mitglieder der „Reichsbürger“-Szene in Deutschland. Diese umfassen Anklagen wegen Beteiligung an Umsturzplänen, Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen und Vorbereitung hochverräterischer Unternehmungen vor verschiedenen Gerichten.
Im April 2022 wurde die Gruppe „Vereinte Patrioten“ bekannt. Der Generalbundesanwalt klagte Mitglieder dieser Gruppe an. Sie hatten einen Umsturz der deutschen Regierung, einen großflächigen Stromausfall, die Entführung von Karl Lauterbach (SPD) und die Einführung einer neuen Verfassung nach dem Vorbild des Kaiserreichs von 1871 geplant. Unter anderem vier Rädelsführer der Gruppe wurden im März 2025 vom Oberlandesgericht Koblenz zu langen Haftstrafen verurteilt. Gegen weitere Mitglieder laufen an verschiedenen deutschen Gerichten weitere Strafprozesse.
Reuß-Prozess nach Großrazzia 2022
Bei der Großrazzia im Dezember 2022 wurde eine Gruppe von 63 Personen um Heinrich XIII. Prinz Reuß entdeckt, die einen bewaffneten Umsturz geplant haben sollen. Am Oberlandesgericht Frankfurt wird gegen die Gruppe verhandelt. Parallel dazu laufen Verfahren in München und Stuttgart.

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