
Der australische Premierminister Anthony Albanese hat Neuwahlen angesetzt: Am 3. Mai wählen die Australier ein neues Unterhaus. Ob seine Labor-Partei im Amt bleibt, hängt maßgeblich von der wirtschaftlichen Lage im Land ab – vor allem von Themen wie steigenden Lebenshaltungskosten, Energiepreisen und der Wohnungsnot. Prognosen deuten auf ein knappes Rennen hin.
Bei der Parlamentswahl am 3. Mai treten Premierminister Anthony Albanese von der sozialdemokratischen Labor-Partei und der konservative Oppositionsführer Peter Dutton von den Liberals als Hauptkonkurrenten um das Amt des Regierungschefs an.
Albanese, 61, stammt aus einfachen Verhältnissen. Aufgewachsen im Arbeiterviertel von Sydney als Sohn einer alleinerziehenden Mutter mit Invalidenrente, beschreibt er seinen sozialen Aufstieg vom Sozialwohnungsbewohner bis ins Amt des Premierministers selbst als prägend für seine Politik. In einer Wahlkampfrede betont er, er wisse, was Armut bedeute, und sehe sich in der Verantwortung, für die einfachen Leute zu arbeiten. Unterstützer loben ihn als bodenständig und engagiert, während Kritiker ihm vorwerfen, unverbindlich und überfordert zu sein – „einer, dem man ein Bier ausgeben, aber nicht das Land anvertrauen wolle“.

Peter Dutton, 54, ist der Herausforderer. Der frühere Polizist und Unternehmer sitzt seit 2011 im Parlament und war unter konservativen Regierungen bereits Gesundheits- und Einwanderungsminister. Als Parteichef der Liberals steht er für eine harte Linie in der Migrationspolitik und sieht sich selbst als enger Verbündeter der Rohstoffindustrie. Persönlich gilt er als wenig beliebt, aber als gradliniger Konservativer, der laut Wähleraussagen für klare Werte stehe und „ein Gegenpol zur aktuellen Führung“ sei.
Albanese war 2022 mit breiter Zustimmung ins Amt gestartet. Inzwischen hat seine Popularität deutlich nachgelassen. Meinungsforscher Alexander Fien sieht zwei Hauptgründe: zum einen die als ideologisch empfundene Klimapolitik der Regierung. Zum anderen ein von ihm initiiertes Referendum, das den australischen Ureinwohnern mehr politisches Mitspracherecht geben sollte. Der Vorschlag wurde deutlich abgelehnt.
Australien erlebt derzeit einen Wandel im Parteiensystem. Bei der vergangenen Wahl 2022 konnten weder Labor noch die konservative Koalition aus Liberals und Nationals überzeugende Ergebnisse erzielen. Premierminister Albanese gewann zwar mit Labor die Mehrheit, erreichte aber mit unter 33 Prozent der Erststimmen das schlechteste Ergebnis seiner Partei seit 1934. Auch die Konservativen mussten starke Verluste hinnehmen.
Heute stellen Unabhängige bereits 13 Sitze im Repräsentantenhaus – so viele wie nie zuvor. Hinzu kommen vier grüne und zwei weitere Abgeordnete kleiner Parteien. Laut dem Politikwissenschaftler William Browne ist damit „die Zeit des Alleinregierens für die Großparteien vorbei“. Wer künftig regieren wolle, müsse unabhängigen und kleineren Kräften politisch entgegenkommen.

Das Mehrheitswahlrecht hatte lange verhindert, dass politische Konkurrenz außerhalb der beiden großen Lager Fuß fassen konnte. In den 1970er Jahren kamen Unabhängige und Kleinparteien zusammen auf weniger als zehn Prozent der Stimmen – zuletzt waren es bereits 32 Prozent. Laut Wahlprognosen könnten unabhängige Kandidaten nun sogar ein Drittel der Sitze im Parlament gewinnen. Auch den Grünen wird eine entscheidende Rolle als mögliche „Königsmacher“ einer neuen Regierung zugeschrieben.
Der Wahlkampf konzentrierte sich zuletzt auf alltägliche Sorgen wie Wohnraum, Lebensmittelpreise, Energie- und Gesundheitsversorgung. Große politische Linien – etwa Steuerreformen, Sicherheit oder Außenpolitik – spielten kaum eine Rolle.
Die gegensätzlichen Positionen zur Energiepolitik stehen exemplarisch für den grundsätzlichen Unterschied zwischen Albanese und Dutton – und machen das Thema zu einem zentralen Streitpunkt der Wahl.
Australien verfügt über die weltweit größten Uranreserven und ist einer der führenden Exporteure des Rohstoffs. Dennoch ist die Nutzung von Atomenergie zur Stromerzeugung seit 1998 gesetzlich verboten – mit Ausnahme des Forschungsreaktors im streng gesicherten Lucas Heights bei Sydney.
Oppositionsführer Peter Dutton von den konservativen Liberals will dieses Verbot kippen. Er schlägt vor, sieben Atomkraftwerke an stillgelegten Kohlekraftwerksstandorten zu errichten und verspricht, damit das Energiesystem des Landes zu modernisieren.
Premierminister Anthony Albanese von der Labor-Partei hält dagegen an erneuerbaren Energien fest. Er setzt auf Wind-, Wasser- und insbesondere Solarenergie, ergänzt durch Batteriespeicher. Australien exportiert allerdings weiterhin große Mengen Kohle und Gas, doch obwohl die Labor-Regierung neue Minen genehmigt, hält Premier Albanese an dem Ziel fest, den Energiebedarf bis 2050 vollständig emissionsfrei zu decken – ohne Atomkraft.
In einem Interview betonte er, Australien habe weltweit die besten Bedingungen für Solarstrom. Atomkraft sei hingegen zu teuer, zu langsam umzusetzen und stelle ungelöste Probleme bei der Entsorgung des radioaktiven Abfalls dar. Er wirft den Konservativen vor, sich in Sachen Atomenergie Illusionen hinzugeben und betont, das finanzielle Risiko sei zu groß.
Während über den richtigen Energiemix gestritten wird, bleibt unbestritten, dass die Energiepreise in Australien in den vergangenen Jahren massiv gestiegen sind – laut Berichten haben sie sich verfünffacht. Albanese hatte zu Beginn seiner Amtszeit eine einmalige Entlastung von 150 Euro pro Haushalt versprochen, die jedoch nie ausgezahlt wurde.
Das größte Problem sei der Anstieg der Lebenshaltungskosten, sagt Meinungsforscher Alexander Fien von der Ray Morgan Research Group. Viele könnten ihre Hypotheken, Mieten und Lebensmittel nicht mehr bezahlen. Immer mehr Menschen bräuchten Unterstützung. Die Regierung habe die Lage zu lange ignoriert – kein gutes Zeichen vor einer Wahl, so Fien.
Auch wirtschaftliche Daten bestätigen das Bild: Laut OECD ist der Lebensstandard in Australien in den vergangenen vier Jahren so stark gesunken wie in keinem anderen westlichen Land. Die Reallöhne stagnieren, viele Haushalte sind hoch verschuldet. Rund dreieinhalb Millionen Menschen leben in Armut, drei weitere Millionen sind von Obdachlosigkeit bedroht – ein Anstieg um über 60 Prozent in zehn Jahren, so Sozialverbände.
Die Preise für Lebensmittel sind explodiert, auch weil Supermärkte gestiegene Kosten vollständig an die Kunden weitergeben. Laut dem Hungerbericht der australischen Tafeln leben 50 Prozent der einkommensschwachen Haushalte in Ernährungsunsicherheit. Wohlfahrtsverbände und Lebensmittelbanken seien überfüllt.
Auch auf dem Wohnungsmarkt ist die Lage angespannt. Laut dem Immobilienbewerter CoreLogic seien Haus- und Mietpreise in nur drei Jahren um fast 40 Prozent gestiegen – in Sydney und Melbourne noch stärker. Durchschnittlich koste eine Immobilie demnach in den Großstädten bis zu 900.000 Euro. Viele junge Australier könnten sich kein eigenes Zuhause leisten.
Die Labor-Partei hat im Wahlkampf den Bau von über einer Million neuer Wohnungen versprochen. Die Liberals wollen mit Steuererleichterungen und Prämien den Erwerb von Wohneigentum fördern. Die Lebenshaltungskosten steigen in fast allen Bereichen, während die Löhne kaum mithalten. Viele arbeiten in mehreren Jobs – und können sich trotzdem keine Wohnung leisten. Denita Wawn vom australischen Bauverband sieht jedoch vor allem den Fachkräftemangel als Problem. Mehr Handwerker müssten ausgebildet und besser bezahlt werden, sagt sie. Ehrliche Arbeit müsse sich wieder lohnen.
Bei der vergangenen Wahl spielte das Thema Einwanderung noch keine große Rolle. Eine Mehrheit der Bevölkerung spricht sich inzwischen für eine Begrenzung der Einwanderung aus.
Oppositionsführer Peter Dutton kritisiert, die Labor-Regierung habe die „Schleusen für Migranten geöffnet“. Zwar sei Migration grundsätzlich gut für Australien, sie müsse aber strenger geregelt werden. Dutton kündigt an, die Zuwanderung um mindestens ein Viertel zu senken und gemeinsam mit den Universitäten „Obergrenzen für Auslandsstudenten einzuführen“.
Die Labor-Partei unter Premierminister Albanese hingegen will an den derzeitigen Einwanderungszahlen festhalten. Seit dem Ende der Corona-Pandemie, sind etwa 1,2 Millionen Menschen ins Land gekommen. Darunter waren auch 200.000 Auslandsstudenten.
Der Wahlkampf in Australien ist offen wie selten zuvor – noch nie war der Anteil unentschlossener Wähler so hoch. Während Herausforderer Dutton verspricht, Australien „wieder auf Kurs“ zu bringen, setzt Amtsinhaber Albanese auf das Motto einer „besseren Zukunft“. Zwar spricht die Geschichte für Albanese – eine Abwahl nach nur einer Amtszeit gab es zuletzt 1931 –, doch das Land steht trotz stabiler Verhältnisse vor großen Herausforderungen.
dh