Knapp drei Monate nach der Wahl kamen die Ausschüsse im Bundestag zu konstituierenden Sitzungen zusammen. In sechs davon bewarb sich die AfD vergeblich um den Vorsitz. Politiker anderer Parteien verteidigen ihre Ablehnung.
Die AfD stellt auch in dieser Wahlperiode vorerst keine Ausschussvorsitzenden im Bundestag. Am Mittwoch scheiterten in den sechs Ausschüssen, für die die AfD das Vorschlagsrecht für den Vorsitz hatte, die Kandidaten der Fraktion, wie der Bundestag mitteilte. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder stimmte in geheimer Wahl jeweils gegen sie. Die AfD wollte die Vorsitzenden in den Ausschüssen für Haushalt, Innen, Recht, Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Petitionen stellen.
Bereits in der Wahlperiode zuvor hatten AfD-Abgeordnete in den Ausschüssen, für die sie nach parlamentarischer Gepflogenheit anteilig den Vorsitz hätten stellen sollen, als Kandidaten für den Vorsitz keine Mehrheit der Ausschussmitglieder erhalten.
Zu Beginn dieser Wahlperiode gab es erneut eine Debatte um den Umgang mit der AfD bei wichtigen Posten im Parlament. Mit der Neueinstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung durch den Verfassungsschutz hatten Vertreter anderer Fraktionen es aber mehrheitlich abgelehnt, AfD-Abgeordneten Ausschussvorsitze anzuvertrauen.
Die Kandidaten der AfD erhielten in den Ausschüssen allerdings mehr Stimmen, als Abgeordnete ihrer Fraktion dort vertreten sind. Im Haushaltsausschuss entfielen etwa auf die AfD-Parlamentarierin Ulrike Schielke-Ziesing 12 Ja- und 29 Nein-Stimmen, wobei die AfD dort 10 Abgeordnete hat.
Im Ausschuss für Arbeit und Soziales fiel die AfD-Abgeordnete Gerrit Huy bei der Wahl für den Vorsitz durch. Im Rechtsausschuss bekamen Stefan Möller, im Finanzausschuss Kay Gottschalk und im Petitionsausschuss Manfred Schiller (alle AfD) nicht die erforderliche Mehrheit. Im Innenausschuss wollte Jochen Haug (AfD) den Vorsitz übernehmen und wurde nicht gewählt.
Innenpolitiker der anderen Oppositionsparteien verteidigten die Nichtwahl der AfD-Vertreter. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Marcel Emmerich, sagte nach der Ausschusssitzung, einem Kandidaten aus einer gesichert rechtsextremistischen Partei könne nicht die Verantwortung für die Behandlung innenpolitischer Themen übertragen werden. „Wer unsere demokratischen Prozesse bewusst chaotisiert und mit völkischen Ideologien Menschen in unserem Land ausgrenzt, kann weder unsere Sitzungen leiten noch den Ausschuss nach außen repräsentieren“, sagte er.
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger sagte: „Es ist wichtig, dass eine Partei, die die Demokratie untergraben und die Menschenwürde beseitigen will, nicht normalisiert wird und keine Verantwortung im Parlament erhält.“ Sie vermutet, dass die AfD nun versuche, eine Opferrolle einzunehmen, „indem sie fälschlicherweise behauptet, sie hätte einen Anspruch auf den Vorsitz“.
Man empfehle den Unionsabgeordneten, die Kandidaten der AfD nicht zu wählen, hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Steffen Bilger (CDU) vor Beginn der Ausschusssitzungen im Deutschlandfunk gesagt und zur Begründung unter anderem angeführt, die AfD werde „auch im Bundestag immer radikaler, immer extremer“. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, hatte am Morgen angekündigt: „Wir wählen Abgeordnete der AfD nicht zu Ausschussvorsitzenden heute.“
AfD-Chefin Alice Weidel sagte WELT TV am Mittwoch, es sei „schon eine Diskriminierung der Parteien CDU, SPD, Grüne und Linke, dass sie unsere Kandidaten durchfallen lassen“. Sie halte dieses Vorgehen für „eine Beschädigung der Integrität der demokratischen Institutionen“, sagte Weidel weiter. „Hier werden zehn Millionen Wähler nicht repräsentiert.“ Die AfD-Politikerin sprach von „einer ganz bedenklichen Entwicklung“.
Co-Parteichef Tino Chrupalla forderte die anderen Parteien auf, „diese Spielchen zu beenden“. Die „Ausgrenzung“ der AfD mit Blick auf deren rund zehn Millionen Wähler bei der Bundestagswahl im Februar müsse aufhören.
Fraktionen haben keinen Anspruch auf Ausschussvorsitzende
Die CDU wies die Kritik zurück. Jede Fraktion habe das gute Recht, ihre Kandidaten vorzustellen, sagte Fraktionsvize Sepp Müller im Gespräch mit WELT TV. Diese bräuchten dann eine Mehrheit. „Ich weiß nicht, was da undemokratisch ist. Im Gegenteil: Das höchste demokratische Gut ist eine Wahl im jeweiligen Ausschuss“, sagte Müller.
Die AfD hatte in der Vergangenheit versucht, den Vorsitz von Bundestagsausschüssen gerichtlich zu erzwingen. Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr geurteilt, dass eine Fraktion keinen Anspruch darauf hat, dass ein Vertreter in den Vorsitz eines Ausschusses gewählt wird. In der vorvergangenen Wahlperiode hatte der Rechtsausschuss den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner nach rassistischen Äußerungen vom Ausschussvorsitz abgewählt. Die kommissarische Leitung der Ausschüsse hatte am Mittwoch jeweils zunächst der oder die dienstälteste Abgeordnete übernommen.
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