Gefahr bei Ende von Ukrainekrieg
Estland: „Russische Soldaten gehen nicht einfach nach Hause“
19.05.2025, 11:26 Uhr
US-Präsident Trump will einen schnellen Frieden in der Ukraine. Doch ist dann wieder alles gut? Estlands Verteidigungsminister befürchtet vielmehr, dass die Bedrohung für andere russische Nachbarländer steigt. Dabei bezieht er sich auf Erfahrungswerte.
Der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur hat vor einem russischen Angriff auf weitere europäische Länder gewarnt. „Die Realität ist: Wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist, wird Russland seine Kräfte umverteilen“, sagt Pevkur im Interview mit der „Bild“-Zeitung. Er beruft sich dabei auf Informationen von Experten, dem Geheimdienst und Verbündeten.
Auch wenn alle wollten, dass der Krieg in der Ukraine ende, zeigt sich Pevkur skeptisch: „Die rund 800.000 russischen Soldaten in der Ukraine werden nicht einfach nach Hause gehen, um von 200 Euro im Monat zu leben.“ Vielmehr würden sie wohl weiter von der russischen Armee bezahlt, aktuell bekämen sie 2000 bis 3000 Euro im Monat. „Das bedeutet: Die Bedrohung für uns wird im Fall eines Endes der Kämpfe in der Ukraine steigen.“
Darauf müsse Estland zusammen mit seinen Verbündeten reagieren, fordert Pevkur. Sein Land wolle deshalb ab 2026 die Verteidigungsausgaben auf 5,4 Prozent erhöhen. Laut Pevkur ist Estland im Falle eines russischen Angriffs „eines der am besten vorbereiteten Länder in der Nato. Wir haben die Wehrpflicht, eine Kriegsstruktur mit fast 44.000 Soldaten. Diese Kampfdivision können wir in weniger als 48 Stunden zusammenziehen.“ Auch habe das Land 32 Verbündete und zusammen viel mehr Feuerkraft als die Russen.
„Den Weg zu 5,4 Prozent zu schaffen, war nicht einfach, es waren harte Entscheidungen. Wir haben an vielen Stellen gespart“, so Pevkur. Aber alle verstünden: „Es ist viel günstiger, heute im Frieden 5 Prozent zu investieren als später 20 Prozent im Krieg oder gar kämpfen zu müssen.“
Pevkur: Russland will Imperium zurück
Pevkur betont, dass Russland seit der Jahrtausendwende alle sechs bis acht Jahre seine Nachbarn angreife: Georgien, die Krim, die Ukraine. Das zeige: „Der Wunsch der russischen Führung, das Imperium wieder aufzubauen, ist nicht verschwunden. Deshalb müssen wir ehrlich sein und gemeinsam eine starke Abschreckung senden – und bereit sein, unsere Länder zu verteidigen.“
Pevkur beklagt zudem fehlende Hilfe für die Ukraine. „Wir haben nicht genug getan“, sagt er auf eine entsprechende Frage. Während der Gegenoffensive in Charkiw habe es eine klare Chance für die ukrainische Armee gegeben, mehr Gebiet zurückzuerobern. Aber damals habe die Ukraine noch nicht die ganze Ausrüstung gehabt, die jetzt geliefert werde. Auch den Vorschlag Estlands, 0,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts jedes Landes in die ukrainische Verteidigung zu investieren, hätten viele Länder bislang nicht umgesetzt.