Bungie schafft Welten, die Jahrzehnte überstehen und noch immer ikonisch sind. Erst Halo und Destiny, jetzt dieses völlig wilde, von Leuchtfarben dominierte Marathon, was uns mit seinem Art-Style umgehauen hat.
Diese neongelben, grell leuchtenden Waffen sind genial, weil sie sich anders anfühlen als 90 Prozent der Shooter-Landschaft da draußen.
Der Artstyle: Cyberpunk meets Formel 1

Bungie
Diese Welt ist abgefahren – cleanes Industrial-Design trifft hier auf die Farb-Kodierung der Formel 1, hat aber auch Cyberpunk-Retro-Elemente, die an gute, alte Atari-Tage erinnern. Bungies Marke Marathon aus den 1990ern und dessen Lore dient hier als Fundament.
Bungie nennt das Ganze „Graphic Realism“ – grafischen Realismus. Vieles wird uns die Geschichte erzählen, aber etwa die Form unseres Helmes zeigt, welche Art von Runner wir spielen.
Bungie und Alberto Mielgo (Love Death + Robots) zeigen in diesem Cinematic, wie viel Storytelling-Potenzial in Marathon steckt:
Die Waffen sind sehr nuanciert. Wir sehen in diesem Shooter also in einer Mischung aus Destiny, Halo und The Division, direkt anhand der Farben, was die Waffe unseres Kontrahenten kann.
Das ist eine völlig andere Herangehensweise als etwa ein Battlefield 6, in dem wir anhand des Schussgeräusches und Einschlags das Kaliber deuten müssen.
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Bungie will mit Marathon Shooter komplett neu denken. Klassen sind an ihrer Silhouette und Farbkodierung erkennbar: Der knallbunte Blackbird-Hacker mit seinem riesigen Helm, der via Sonar und Drohne Feinde enttarnt vs. der schwarze Stealth-Sniper Void
Bungie
„Mirrors Edge, Aeon Flux, Ghost in the Shell, Otomo, Koji Morimoto, The Designers Republic, Chris Cunningham, sie alle sind definitiv Inspirationen für uns. Es gibt auch eine Menge Einflüsse außerhalb von Spielen. Produkt- und Fashion-Design, insbesondere Hightech-Sport-Fashion von Nike; aber auch die grellen Signal-Farben der Formel 1 finden sich häufig in Marathon wieder“
– Joseph Gross, Franchise Art Director für Marathon bei Bungie
Farbkodierung wird eine große Rolle spielen

Laut seinem Franchise Art Director hat sich Bungie stark von der Formel 1 inspirieren lassen, in der grelle Signalfarben genutzt werden, um Teams auch bei Nacht und hoher Geschwindigkeit zuordbar zu machen
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Bungie
Bungie hat sich offensichtlich enorm viele Gedanken gemacht, wie sie dieses Spiel artistisch strukturieren wollen. Visuell gesehen ist das hier schon mal nicht Destiny, was sehr nah an Halo dran war.
Marathon ist ein Extraction-Shooter, es geht also darum, Items zu extrahieren – von einem Ort im Level zum Ende zu bringen, um den Gewinn einzustreichen. Diese Items sind in Marathon klar farbkodiert. Wir sehen schon von Weiten, wo das Item liegt, wie weit es noch entfernt ist und ob es sich schon jemand geschnappt hat und wir diese Person verfolgen müssen.
Das ist ein anderer Ansatz als bei Escape from Tarkov oder auch The Division 2, wo wir erst den Feind eliminieren, dann herausfinden, ob er den Gegenstand unserer Begierde dabei hat, oder eben nicht.

Waffen stammen aus dem 3D-Drucker und lassen sich ebenfalls an ihrer Silhouette und Farbgebung erkennen. Marathon ist ein Shooter, der sehr leicht zu lesen ist. Wir müssen nicht wie in Battlefield 6 oder Escape from Tarkov Schussgeräusche studieren.
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Joseph Gross, Bungies Franchise Art Director, hat vorher so ikonische Welten wie Dead Space, Apple TVs Foundation, Destiny 2 sowie Scarlett Johanssons Ghost in the Shell designt.
„Der große Erfolg von Into The Spider-Verse und der Effekt, den dieser Film auf Blockbuster-Animation hatte, hat uns darin bestärkt, deutlich mehr visuelles und kreatives Risiko zu gehen“, verrät der Art Director auf Elon Musks X.
Marvel ging maximales Risiko, das bekannte Terrain eines Live-Action-Films mit Hollywood-Stars wie Tom Holland und Zendaya zu verlassen und wurde mit einem 400-Millionen-US-Dollar Kino-Hit belohnt.

Es ist faszinierend, dass in Marathon wirklich jedes Item Farb-kodiert ist: Angeschraubte Abzughebel in rot, Visiere in hellblau. Schulter-Platten in Neon-gelb.
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Er nennt auch die Formel 1 als große Inspiration, weil sie diese grellen Orange-Neon-Farben auf ihren Autos verwenden, um diese auch bei extrem hoher Geschwindigkeit in der Nacht klar zuordnen zu können.
Auch zeigt sich die Aerodynamik der Formel 1 in Marathons Leveldesign, in der es viele gerade Linien gibt, die in scharfe Kurven abbiegen, weil diese Hightech-HQs für Roboter und deren Sensorik designt wurden, nicht für Menschen. Marathon zeigt dadurch eine Design-Sprache, wie wir sie zuletzt in Mirror’s Edge oder Wipeout genossen haben.
Das Level-Design ist also ziemlich fantastisch, das Gameplay hingegen überrascht, nicht nur auf die gute Art.
Bungie hätte es sich leicht machen können – einfach die Destiny-DNA in diese stylische Welt packen, und es wäre ein garantierter Hit geworden. Aber Marathon wird definitiv nicht Destiny 3 …
Das Gameplay: Wie spielt sich Marathon?

Bungie will das Genre des Extraction-Shooters in den Mainstream bringen. Das ist ambitioniert, aber auch überraschend – denn Marathon wird komplett anders, als das, was die Destiny-Fanbasis spielen will.
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Bungie gehört zu den besten Shooter-Studios der Welt, entsprechend fühlt sich Marathon sehr griffig an. Es hat diese Destiny-Magie, die es schwer macht, den Controller wegzulegen.
Das befriedigende Geräusch eines Nahkampftreffers oder die Freude darüber, wenn der Feind eine Plasmagranate frisst, haben Halo-Spiele durch mehrere Generationen getragen, und das könnte auch bei Marathon klappen.
Das Schussgefühl ist so ziemlich wie in Halo, also sehr präzise. Wir können auch einen Runner, der durchs Level springt, mit der Sniper ausschalten.

Wie von Bungie gewohnt, ist Marathon darauf optimiert, Geld zu drucken: Das ganze Charakter-Design ist so gebaut, dass sie unendlich viele Skins verkaufen können. Aber das Design ist eben auch völlig einzigartig, so etwas haben wir noch nie gespielt.
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Bungie ist eigentlich ein PvE-Studio, entsprechend stark ist seine KI, die sich aufteilt, über Leitern versucht, in bessere Schussposition zu kommen und uns einzukesseln. Unter der Robot-Security gibt es sogar Commander, die Elite-Gegner sind und ganze Trupps anführen.
Gerade die leichten KI-Gegner sind wichtig für dieses Spiel. Das Bots-Klatschen bringt Spaß und nimmt den Frust, denn die Server von Marathon werden sich schnell mit Veteranen von The Division, Escape from Tarkov und Hunt: Showdown füllen, die dieses Genre lieben und jeden Exploit und jede temporäre Balance-Schwäche ausnutzen werden.
Extraction-Shooter müssen perfekt in der Balance sein, das wird eine Herausforderung für Bungie, die seit Halo: Reach keinen PvP-Shooter mehr entwickelt haben.
Kampagne: Story & Shared-World sollen später kommen

In Destiny waren es Cayde-6 und all diese skurrilen Charaktere und die faszinierende Welt, die uns immer wieder in dieses Universum gezogen haben. In Marathon soll die Geschichte zunächst via Social-Media-Cinematics erzählt werden, eine große Kampagne erst weit nach Launch kommen.
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Bungie geht hohes Risiko und die Frage ist: Warum? Warum keine Kampagne und so wenig Storytelling? Cayde-6, Ikora Rey, Shaxx und Banshee-44 waren es, die uns immer wieder in Destiny hineingezogen haben. Ein achtminütiges Cinematic über die Runner Glitch und Void zeigt, dass auch Marathon viel Storytelling-Potenzial hat.
Was es aber aktuell nicht nutzt: Das Spiel soll nur mit einer Hand voll Karten im September launchen und sechs Klassen, die Minimal-Ausstattung für einen Shooter. Seine Geschichte will es über Terminals im Spiel und Youtube-Cinematics erzählen. Das ist wenig für den nächsten Bungie-Blockbuster, der Destiny ersetzen und Milliarden verdienen soll.

Das Level-Design irgendwo zwischen Apple-Store und moderner Kunst überzeugt; das Gameplay fühlt sich für unseren Geschmack aber noch zu klassisch an.
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Und es gibt noch mehr negative Überraschungen: Auf der einen Seite hat Marathon diese Leuchtfarben-grelle Welt mit viel Energie und Power im Leveldesign. Auf der anderen haben unsere Runner eine Energieanzeige, die sich beim Sprinten und Gleiten füllt, was Explosivität aus dem Gameplay nimmt.
Auch wieder so ein Element, das so komplett Anti-Destiny ist. Marathon fühlt sich deutlich geerdeter und langsamer an, als das, was Bungie-Fans eigentlich spielen wollen. Wir sind hier keine Sci-Fi-Gottheiten, die Bosse im Partikelfeuerwerk untergehen lassen.

Wir hätten erwartet, dass Bungie als eines der besten Studios der Welt den Extraction-Shooter auf ein komplett neues Level hebt – mit riesiger Shared-World im Destiny-Style und hunderten neuen Ideen. Bislang ist es ein guter Shooter, aber ohne Wow-Effekt.
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Stattdessen feuern wir mit Sturmgewehren, Shotguns, Sniper, Flammenwerfern und Railguns. Schützen uns mit Energieschilden, hauen KI-Roboter zu Pixelbrei. Loot erlaubt Doppelsprünge oder Unsichtbarkeit, um das gegnerische Team zu flankieren.
Es ist ein guter, kompetenter, aber vielleicht ein bisschen zu klassischer Shooter. Es ist zu früh, um das zu beurteilen, aber aktuell ist Marathon weniger, als man von Bungie erwarten würde.
Vielleicht kommt das richtig Große noch, schließlich war Marathon bereits vier Jahre in Entwicklung mit über 300 Mann.
Aktuell ist es The Division: Cyberpunk-Edition in einem richtig stylishem Setting, aber mit wenig Story und ohne die Shared-World, die Destiny 2 legendär gemacht hat.
Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis es nach Launch im September zu dem Destiny-Nachfolger reift, den die Welt eigentlich haben wollte …