Am Ende gab er auf. Zu groß war wohl die Sorge von Matthias Moosdorf, dass er vor den Augen der versammelten Mannschaft der AfD im Bundestag eine Klatsche kassiert. Zu Beginn der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag wurden die Sitze im Auswärtigen Ausschuss verteilt. Moosdorf, zuletzt außenpolitischer Sprecher der Fraktion, verlor eine Kampfkandidatur nach der anderen. Im Duell um den zehnten und letzten Platz im Ausschuss trat gar nicht mehr an.
Moosdorf ist das erste Opfer einer neuen AfD-Strategie. Die Partei will sich nach außen weniger russlandfreundlich präsentieren. Und hier passt ein außenpolitischer Sprecher, der regelmäßig nach Russland reist und als Cellist sogar eine Honorarprofessur an der kremlnahen Gnessin-Akademie innehat, nicht ins Bild.
Vielen in der Partei, vor allem im Westen, war die Russlandnähe mancher Kollegen schon lange ein Dorn im Auge. Da waren zum Beispiel Moosdorf-Vorgänger Petr Bystron, gegen den wegen des Verdachts der Bestechlichkeit aus Russland ermittelt wird; Abgeordnete die nach ihrer Arbeit als „Wahlbeobachter“ in Russland die Wiederwahl Putins lobten; der Besuch des Parteivorsitzenden Tino Chrupalla, der 2023 am 9. Mai in der russischen Botschaft an den Festlichkeiten zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs teilnahm.
Letzteres wurde von der Parteispitze, also auch von Chrupalla, in diesem Jahr offiziell untersagt. Eine Demütigung für den Sachsen, der sich hier der Haltung seiner Co-Chefin Alice Weidel anschließen musste. Die Russland-Freunde, stellvertretend Chrupalla und Moosdorf, verlieren an Macht.
Neuer Chef-Außenpolitiker in der AfD
Aus der Partei ist zu hören, dass Weidel den Weg der für AfD-Verhältnisse halbwegs klaren Distanzierung, mitgeht, wenn nicht sogar vorgibt. Hierzu passt, dass mit Markus Frohnmaier einer ihrer Vertrauten aus dem eigenen Landesverband Baden-Württemberg zum neuen außenpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion gewählt worden ist.
Während kurz nach Beginn der russischen Invasion Bystron noch im Bundestag das Putin-Narrativ verbreitete, der Westen trage eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine, sind heute andere Töne aus der Partei zu hören. Hannes Gnauck zum Beispiel, Mitglied im Bundesvorstand und im Verteidigungsausschuss, sagte gegenüber dem stern, Russland würde mit einer „gewissen Brutalität und Rücksichtslosigkeit seine Interessen als wiedererstarkte Großmacht“ durchsetzen und mahnt gleichzeitig „nur eigene Stärke und Abwehrbereitschaft“ könne hier die angemessene Antwort sein. Russland sei weder „unser Freund noch unser Feind“.
Gleichzeitig versucht sich die AfD an die USA anzunähern. Schon im Wahlkampf überraschte die Partei mit einer verbalen Anbiederung an die Nation, die von vielen Mitgliedern und Anhängern in der Vergangenheit als Feind ausgemacht worden ist. Sogar Björn Höcke, alles andere als ein Transatlantiker, fand plötzlich lobende Worte für Washington. Der Grund sitzt im Weißen Haus. Von US-Präsident Donald Trump, vor allem von seinem Vize und dem Berater Elon Musk, bekam die Partei im Bundestagswahlkampf Rückenwind. Mehr als in den vergangenen Jahren aus Russland – so lästern manche.
Was steckt hinter dem Kurswechsel?
Die Partei dürfte mit ihrem angepeilten Richtungswechsel gleich drei Hoffnungen verbinden. Zum einen will man sich anschlussfähiger an mögliche politische Partner machen. Mit einem gemäßigterem Bild nach außen will die AfD die Brandmauer zum Bröckeln bringen. Neben einer Distanzierung zu Moskau zählt dazu auch ein zahmerer Auftritt im Plenum – sowohl am Rednerpult, als auch bei den Abgeordneten auf den Plätzen. Ob das mehr als reine Lippenbekenntnisse sind, wird sich erst noch zeigen.
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, sind einzelne Abgeordnete außerdem der Meinung, dass man mit Russland als Freund derzeit keine Wähler gewinnen könne. Immer wieder hatte vor allem Chrupalla öffentlich behauptet, Putin habe dem Westen die Hand des Friedens entgegengestreckt. Doch Putins Verhalten in den vergangenen Wochen lässt diese Argumentation weltfremd wirken.
Und dann ist da noch die Angst vor einem Verbotsverfahren gegen die AfD. Nach Bekanntwerden der Hochstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte US-Vizepräsident J.D. Vance den Vorgang zu Befremden der Bundesregierung kritisiert. In der AfD gibt es die Hoffnung, dass der vermeintliche Schutzpatron der Meinungsfreiheit Donald Trump im Ernstfall intervenieren würde. Zumindest aber könne die US-Unterstützung die Angst vor einer Einleitung eines Verfahrens erhöhen, heißt es aus der Fraktion. Im Podcast von „Politico“ sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch: „Wir erwarten uns natürlich auch gerne weiter Unterstützung aus den USA. Die können wir, glaube ich, gut gebrauchen.“
Wie glaubwürdig ist der scheinbar neue Kurs der AfD? Ausgerechnet die Figur, die diesen Wandel einläuten soll, lässt daran zweifeln. Der neugewählte außenpolitische Sprecher Frohnmaier besuchte nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim die Halbinsel und bezeichnete diese als russisch. Auch soll er, so berichtete es der „Spiegel“ 2019, vom russischen Geheimdienst als möglicher Helfer ausgemacht worden sein.
Auf „Süddeutsche“-Anfrage antwortete Frohnmaier, dass er nichts für vermeintliche oder tatsächliche Pläne irgendwelcher Russen könne und es ja so oder so auch lange her sei.
Im Osten dürfte der neue Sound weniger gut ankommen
Hinzu kommt, dass die Angst vor einem Stimmenverlust allzu vorgeschoben wirkt. Für die AfD ging es in den Umfragen zuletzt weiter nach oben. Momentan steht die Partei in den meisten Umfragen bei 24 Prozent. Vor allem im Osten kann eine Nähe zu Russland bei Wahlen sogar helfen. Mit Chrupalla, Moosdorf, Maximilian Krah, dem wie Bystron die Annahme russischer Gelder vorgeworfen wird, und dem Fraktionschef im Landtag Jörg Urban tummeln sich in Sachsen gleich mehrere Russland-Freunde.
Wo genau die AfD außenpolitisch steht, lässt sich nicht sagen. Auch der heutige internationale Fußballtrikot-Tag im Bundestag ließ keine neuen Schlussfolgerungen zu. In allen anderen Fraktionen erschien ein Teil der Abgeordneten in bunten Spielleibchen, bei den Grünen waren ein paar Deutschlandjerseys zu finden. Die AfD verzichtete komplett – sowohl auf russische als auch auf US-Trikots.