„LTU DEU“ steht auf den Anzeigetafeln an den Linienbussen in Vilnius – das heißt Litauen, Deutschland, dazwischen sieht man ein Herz. Am Straßenrand winken ein paar Kinder, als Friedrich Merz nach seiner Landung in der litauischen Hauptstadt zum Präsidentenpalast fährt. Der baltische Staat hat große Erwartungen, deswegen ist der Empfang am Donnerstag für den neuen deutschen Kanzler warm und herzlich. Der Hintergrund seiner Reise in Begleitung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist freilich ein ziemlich ernster – es geht um Solidarität und Bedrohung, um deutsche Soldaten in einem beunruhigten Land.
Kurz vor Ankunft am Präsidentenpalast sieht man an dem davor liegenden, berühmten Kathedralenplatz schon schwere Militärfahrzeuge der Bundeswehr, Panzer und Transporter. Merz ist nicht nur zu Gesprächen mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda gekommen, sondern vor allem zum sogenannten Aufstellungsappell der deutschen „Brigade-Litauen“.
Sie soll die Ostflanke der Nato mit schützen – Litauen fühlt sich seit dem Angriff auf die Ukraine direkt bedroht von Russland. Der Aufbau der Truppe läuft seit April 2024. Mit dem Aufstellungsappell auf dem Kathedralenplatz wird nun die Panzerbrigade 45 offiziell in den Dienst gestellt. Bis Ende 2027 soll sie voll einsatzbereit sein. Nach derzeitigen Planungen werden dann 5.000 Bundeswehrangehörige dauerhaft an den litauischen Standorten Rukla und Rūdninkai stationiert sein – das alles geht auf einen Vorschlag von Verteidigungsminister Pistorius zurück, der während der eintägigen Reise seinen Stolz nicht verbergen kann. Viel Kritik musste Pistorius für das Vorhaben zunächst einstecken.
Zugleich ist es der erste Besuch des neuen Kanzlers bei der Bundeswehr – und das gleich auf heiklem Gebiet. Sicherheitspolitisch signalisiert Merz damit, wie wichtig ihm das deutsche Engagement im Osten kurz vor dem Nato-Gipfel in Den Haag im Juni ist. Das auch zu zeigen, dafür ist der feierliche Appell der Panzerbrigade 45 bestens geeignet. Alle Soldaten, so wird betont, hätten sich freiwillig für den Dienst gemeldet.
Päsident Nausėda erklärt nach seinem Gespräch mit Merz, man bewerte den Besuch auch als „starkes Zeichen“ der Abschreckung. „Dieser Tag zeigt deutlich, die Sicherheit Litauens ist zur Sicherheit Deutschlands geworden“, so der Präsident. Er lobt die Kooperation bei der militärischen Beschaffung; auch, weil der Rüstungskonzern Rheinmetall eine Fabrik für Munition in Litauen aufbauen wird. „Wir sind geeint, handlungsbereit und entschlossen“, betont Nausėda. Und: Litauen werde fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes bei den Militärausgaben erreichen – in Deutschland ist das hoch umstritten.
Merz erklärt, die Sicherheitslage im Baltikum bleibe „sehr angespannt“ durch die Bedrohung Russlands. Man sei aber „entschlossen“, das Bündnisgebiet gegen jede Aggression zu verteidigen. „Sie können sich auf uns, Sie können sich auf Deutschland verlassen“, richtet sich Merz direkt an die Menschen in Litauen. Mit Blick auf die Militärausgaben betont der Kanzler: Deutschland investiere jetzt massiv in die eigene Sicherheit, das sei auch als Zeichen an die Verbündeten gedacht. „Von Russland, so wie es sich heute darstellt, geht eine Bedrohung für uns alle aus“, so Merz schließlich.
Derweil treten die deutschen Soldaten auf dem Kathedralenplatz an. Umringt von Hunderten Schaulustigen, zum Teil mit litauisch-deutschen Fahnen in den Händen. Merz und Pistorius schreiten am Mittag die Paradeaufstellung ab, es werden Märsche gespielt und die Truppenfahne an den Brigadekommandeur übergeben. Zwischenzeitlich beginnt es heftig zu regnen. Der Kanzler hält seine Rede vor den deutschen Soldaten auf Englisch und auf Deutsch. „Was Sie leisten, verdient höchste Anerkennung“, ruft er der stillstehenden Truppe zu. Die Soldaten stünden „für eine Bundeswehr, die sich den Herausforderungen unserer Zeit stellt“. Der Dienst in Litauen sei jedoch nicht einfach, „er verlangt Disziplin und er bringt Risiken mit sich. Aber er ist unverzichtbar“, betont der Kanzler.
Merz hebt zugleich hervor, die Soldaten bräuchten eine moderne Ausstattung „und Fähigkeiten, die sich an den Fähigkeiten und Bedrohungen durch Russland orientieren“. Um das zu ermöglichen, habe man durch die Änderung des Grundgesetzes sichergestellt, dass ausreichend in die Verteidigungsfähigkeiten und die Ausstattung investiert werden könne. „Unser Ziel ist, zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“, wiederholt er seinen viel beachteten Satz aus seiner Regierungserklärung im Bundestag. Nach der Rede wird noch das Bundeswehrlied „Wir dienen Deutschland“ gespielt. Nun auch in Litauen.