Es ist eine Milliardentransaktion mit sehr illustren Beteiligten: Open AI, der Entwickler von ChatGPT, kauft das Designunternehmen von Jony Ive, einem der prominentesten Mitarbeiter in der Geschichte von Apple. Ive war viele Jahre lang Designchef des Elektronikkonzerns und einer der engsten Vertrauten des Mitgründers Steve Jobs. Er spielte eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung von Erfolgsprodukten wie dem iPhone oder dem Musikspieler iPod. Nach seinem Abschied bei Apple 2019 hat er sein eigenes Designunternehmen Love From gegründet. Vor einem Jahr gründete er außerdem zusammen mit mehreren früheren Apple-Mitarbeitern Io, ein Unternehmen, mit dem er Hardwareprodukte für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz entwickeln will.
Open AI wird nun Io kaufen und das Unternehmen dabei mit rund 6,5 Milliarden Dollar bewerten. Es ist die mit Abstand teuerste Übernahme in der Geschichte von Open AI, der Preis soll in eigenen Aktien bezahlt werden. Dem 58 Jahre alten Ive ist es damit gelungen, recht kurz nach der Gründung ein milliardenschweres Geschäft für sein Unternehmen einzufädeln. Er soll fortan auch eine größere Rolle bei Open AI spielen und dort weitgehende Verantwortung für Design bekommen. Das Team von 55 Io-Mitarbeitern, zu dem Softwareentwickler, Designer und Wissenschaftler gehören, soll zu Open AI wechseln. Open AI hatte schon Ende vergangenen Jahres einen Anteil von 23 Prozent an Io übernommen. In einer Mitteilung hieß es außerdem, Ive und Altman arbeiteten schon seit zwei Jahren zusammen.
Bisher ist Open AI vor allem als Entwickler von KI-Software wie ChatGPT bekannt, die neue Partnerschaft zielt nun aber in erster Linie auf Hardware ab und unterstreicht, dass das Unternehmen auch hier große Ambitionen verfolgt. Vorstandschef Sam Altman sagte auf der Plattform X, er hoffe, im Rahmen der Partnerschaft mit Ive „eine neue Generation von KI-betriebenen Computern“ zu entwickeln.
Erste Open-AI-Hardware wohlmöglich 2026
Um welche Art von Geräten es sich dabei handeln könnte, daraus machte er allerdings noch ein großes Geheimnis. In einem von Open AI veröffentlichen Video, in dem er mit Ive auftritt, sagte er, er habe kürzlich einen Prototypen für das erste von Io entwickelte Gerät zum Ausprobieren bekommen, und halte es für “das coolste Stück Technologie, das die Welt jemals gesehen haben wird“. Gegenüber der „New York Times“ deutete er an, dass ihm eine Art Nachfolgeprodukt für Smartphones vorschwebt. „Wir haben zwanzig Jahre lang auf das nächste große Ding gewartet.“ Das würde das Bündnis von Open AI und Io womöglich auch zu einer Bedrohung für Apple machen.
Ives früherer Arbeitgeber erzielt bis heute fast die Hälfte seines Umsatzes mit dem iPhone, das ursprünglich 2007 herauskam. Der Aktienkurs von Apple fiel nach Bekanntgabe der Allianz um mehr als zwei Prozent. Altman sagte allerdings auch zur Nachrichtenagentur „Bloomberg“, er rechne nicht damit, dass Smartphones in naher Zukunft verschwinden werden. Die ersten Geräte, die Open AI nun im Verbund mit Ive entwickelt, könnten im nächsten Jahr herauskommen.
In dem jetzt veröffentlichten Video überschütteten sich Ive und Altman gegenseitig mit Lob. Ive nannte Altman einen “seltenen Visionär“. Altman sagte, er halte Ive für “den tiefgründigsten Denker, den ich jemals getroffen habe“.
Steve Jobs’ „spiritueller Partner“
Jony Ive, ein gebürtiger Brite, kam 1992 zu Apple und wurde schon nach wenigen Jahren Chefdesigner. In seiner Anfangszeit war Steve Jobs gar nicht im Unternehmen, er war einige Jahre zuvor hinausgedrängt worden. 1997, als Apple in erheblichen Schwierigkeiten steckte, kehrte Jobs zurück und gab das Ziel aus, Design eine größere Priorität zu geben. Er wollte zunächst einen Kreativchef von außen holen, wurde dann aber auf Ive aufmerksam. Schon im Jahr danach gelang Jobs und Ive ein Paukenschlag mit dem iMac-Computer, der mit seinem halbdurchsichtigen Plastikgehäuse zu seiner Sensation wurde. Es folgte eine Serie von Produkten, die Maßstäbe im Design setzten.
Seinem Biografen Walter Isaacson sagte Jobs: „Wenn ich einen spirituellen Partner bei Apple hätte, dann ist es Jony.“ Niemand außer ihm selbst habe so viel Macht bei Apple, und niemand könne ihm sagen, was er zu tun habe. Ive stand auch nach dem Tod von Jobs 2011 für den besonderen Designanspruch von Apple, er kam auch oft in den Videos zu Wort, die Apple in Produktpräsentationen zeigte. 2012 wurde er von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen. Ive war auch eng in den Bau der riesigen ringförmigen Zentrale von Apple im kalifornischen Cupertino eingebunden, die 2017 eröffnet wurde. 2019 verließ er das Unternehmen und gründete Love From. Zunächst hieß es, er werde weiter eine enge Verbindung zu seinem früheren Arbeitgeber pflegen, und Apple solle einer der Hauptkunden von Love From werden. Die Partnerschaft hat aber keine größeren sichtbaren Ergebnisse hervorgebracht. Love From hat auch einige andere bekannte Kunden wie den Autohersteller Ferrari oder den Zimmervermittler Airbnb gewonnen. Auch nach der Transaktion mit Open AI soll Love From als unabhängiges Unternehmen weiterbestehen.
Open AI ist mit ChatGPT an der vordersten Front im Rennen um KI-Technologien. Das KI-System wurde im Herbst 2022 eingeführt und hat heute nach jüngsten Angaben des Unternehmens 500 Millionen Nutzer in der Woche. ChatGPT ist in seiner Basisversion gratis, allerdings gibt es verschiedene kostenpflichtige Versionen. Nach Angaben von „Bloomberg“ rechnet das Unternehmen in diesem Jahr mit einem Umsatz von 12,7 Milliarden Dollar. Es erwirtschaftet bislang allerdings noch erhebliche Verluste. Kürzlich setzte es mit einer Finanzierungsrunde eine neue Rekordmarke. Es kündigte eine Vereinbarung mit Investoren an, die ihm 40 Milliarden Dollar einbringen und es mit 300 Milliarden Dollar bewerten würde.
Das Ziel, spezielle KI-Hardware zu entwickeln, haben auch schon andere Unternehmen verfolgt, ohne allerdings bislang einen Durchbruch zu schaffen. Das Start-up Humane zum Beispiel, das ebenfalls von früheren Apple-Mitarbeitern gegründet wurde, brachte im vergangenen Jahr eine Art tragbare KI-Brosche heraus. Sie hieß AI Pin, hatte keinen Bildschirm und konnte Informationen per Laser projizieren, zum Beispiel auf die Innenfläche der Hand. Das Gerät floppte aber und wurde wieder eingestellt. Unter den Investoren von Humane war auch Sam Altman.
Dass auch Open AI über Software hinausdenkt, ist schon seit einiger Zeit bekannt. Vor wenigen Monaten heuerte das Unternehmen Caitlin Kalinowski, eine frühere Mitarbeiterin des Internetkonzerns Meta, als Verantwortliche für seine Hardwareaktivitäten an. Kalinowski schrieb auf Linkedin, sie solle in ihrer Rolle helfen, “KI in die physische Welt zu bringen“. Open AI hat sich im vergangenen Jahr auch an einem Robotikspezialisten beteiligt.
Die Übernahme von Io unterstreicht, dass Open AI derzeit in Kauflaune ist. US-Medien haben in den vergangenen Wochen auch berichtet, dass das Unternehmen Verhandlungen über die Akquisition von Windsurf führt, einem Spezialisten für KI-gestützte Softwareentwicklung. Dabei soll ein Preis von 3 Milliarden Dollar im Gespräch sein.
