Es gibt einen wahren Fundus an kuriosen Pressekonferenzen, Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni oder Bundestrainer Rudi Völler sind mit ihren Wutreden zu nennen. Die kürzeste Einlassung dürfte wohl Klaus Augenthaler geliefert haben, der damalige Wolfsburg-Trainer stellte sich die Fragen gleich selbst, um sie in 42 Sekunden zu beantworten. Der inoffizielle Rekord hatte bis gestern Abend Bestand. Da nämlich saß der Münchner Basketballtrainer Gordon Herbert auf dem Podium nach dem Sieg im ersten Playoff-Viertelfinale seiner Mannschaft gegen den aufmüpfigen Pokalsieger Mitteldeutscher Basketball Club (MBC) und sagte: „Wir haben den Heimvorteil genutzt“, um aufzustehen und das Weite zu suchen. Immerhin beantwortete er noch eine Frage, mehr als „unsere Intensität in der Abwehr war gut“ sagte er nicht mehr. Es war zwar niemand mit einer Stoppuhr zugegen, 42 Sekunden dürfte diese Analyse aber nicht in Anspruch genommen haben.
Zusammen mit dem Gesichtsausdruck des Kanadiers konnte man diesem Auftritt entnehmen, dass der 66-Jährige trotz des ungefährdeten 78:60-Sieges nicht zufrieden war. Die Gründe liegen wohl in den jüngsten Auftritten, als sein Personal maximal Dienst nach Vorschrift verrichtete und gegen Ludwigsburg und Bonn, die beide die Playoffs verpasst haben, sowie Absteiger Göttingen nur zu unansehnlichen und mühevollen Siegen kam. Was Herbert vor der K.o.-Runde zu einer Suada veranlasst hatte, in der er das Spiel der Seinen als „peinlich“ bezeichnete und die Härte der Spieler mit einem Softeis in der Sonne verglich.
Was sich die Protagonisten offenbar zu Herzen genommen hatten, denn vor allem defensiv wussten die Gastgeber dem unangenehmen Gästeteam zuzusetzen. Der MBC war nicht nur aufgrund des Pokalsiegs in eigener Halle, bei dem er den großen Favoriten und Titelverteidiger aus München im Halbfinale überraschend mit 95:93 aus dem Rennen geworfen hatte, selbstbewusst angereist. Auch das Bundesliga-Duell in Weißenfels ging mit 79:75 an die Sachsen-Anhalter, die knappe Niederlage in München war nach Ansicht von MBC-Geschäftsführer Geissler irregulär: Shabazz Napier hatte mit einem Dreier mit der Schlusssirene zum 80:78 getroffen, der Wurf aber fiel nach Ansicht des MBC zu spät, der Protest wurde abgewiesen. Geissler fand also, dass man eigentlich alle Partien gegen die Bayern gewonnen habe – nicht der einzige giftige Pfeil, der im Vorfeld nach München geschossen wurde.
Der australische Nationalspieler Jack White kam erst im April und fühlt sich immer wohler: „Ich kratze erst an meiner Leistungsfähigkeit“
Nun antwortete der Meister adäquat, der dem Gegner allein personell haushoch überlegen ist – auch ohne Topscorer Carsen Edwards, der weiter wegen einer Rückenblessur fehlt. Beispielsweise Shabazz Napier, dessen Dribblings in Hochgeschwindigkeit allein eine Augenweide sind, der pfeilschnelle Spielmacher war mit zwölf Punkten Topscorer. Der US-Amerikaner hat sechs Jahre seiner Karriere bei diversen NBA-Klubs verbracht, ein Spieler vom Format des 33-Jährigen ist wohl kaum vorstellbar in einem 40 000-Seelen-Städtchen wie Weißenfels. Neben Napier war der australische Nationalspieler Jack White (10 Punkte) ein Lichtblick in der Münchner Offensive, ansonsten kann man die Durchschlagskraft der Gastgeber an einer Geste von Andreas Obst gut veranschaulichen. Der Weltmeister hält mit elf verwandelten Dreiern in einem Spiel den Rekord in der Euroleague, als er gegen den MBC seinen einzigen von acht Versuchen aus der Distanz traf, riss er die Arme nach oben, um zu signalisieren, dass er auch nicht weiß, was gerade los ist.
Die Wurfquoten der Münchner, speziell aus der Distanz waren stark verbesserungswürdig, gut nur, dass die der Weißenfelser ebenso mäßig waren. Was aber auch daran lag, dass die Münchner Defensive kaum einen freien Wurf zuließ, der FCB kontrollierte trotz der Abschlussschwäche jederzeit das Geschehen. Die Gäste wirkten müde, die MBC-Profis mussten sich während der Woche durch zwei Play-in-Spiele quälen.
Am Dienstagabend in der Stadthalle Weißenfels erwartet White dennoch mehr Gegenwehr: „Sie werden wieder physisch und hart in der Abwehr spielen, sie werden alles reinhauen und versuchen unseren Rhythmus zu brechen.“ Der Australier stieß wegen Personalnot auf den Flügelpositionen erst Anfang April zum Team und fühlt sich nach eigenem Bekunden immer wohler: „Es ist eine tolle Gruppe mit sehr guten Spielern, wir reden viel und der Trainer und meine Teamkameraden helfen mir, das System zu verstehen.“ Er wolle seinen Teil beitragen: „Ich kann aggressiver und besser spielen, momentan kratze ich nur an der Oberfläche meines Leistungsvermögens.“ White hat im Übrigen 2023 mit den Denver Nuggets die NBA-Titel gewonnen. Also wieder einer, der in einem kleinen Klub in Sachsen-Anhalt eher nicht auftauchen wird.