Millionen Menschen sind hierzulande auf Pflege angewiesen. Die neue Familienministerin glaubt, dass diese künftig vermehrt von Angehörigen und nicht mehr von Fachkräften gestemmt werden kann. Deswegen will Karin Prien eine neue Sozialleistung schaffen.
Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) will mit Pflegegeld als Lohnersatz eine neue Sozialleistung einführen. „Es wird mit unserer demographischen Entwicklung nicht möglich sein, dass Pflege allein von Fachkräften geleistet wird“, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Deshalb müssen wir einen Einstieg in ein Pflegegeld als Lohnersatz für pflegende Angehörige schaffen.“
Deutschland habe ein „riesengroßes Interesse“ daran, dass eine solche Leistung komme, sagte Prien. Auf die Frage, wie ein solcher Einstieg aussehen könne, nannte Prien mehrere Möglichkeiten. Denkbar sei etwa, dass man beim Einstieg über Varianten mit Blick auf die Bezugsdauer, die Höhe oder eine soziale Staffelung des Pflegegelds rede. Experten gehen davon aus, dass das Pflegegeld als Lohnersatz, analog zum Elterngeld, Millionen Menschen entlasten würde.
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag „tiefgreifende strukturelle Reformen“ im Gesundheits- und Pflegebereich angekündigt.
Allerdings gibt es dafür offenbar noch keinen Fahrplan. Für die Einführung der neuen Sozialleistung müsse sich dafür die wirtschaftliche Lage verbessern. „Aber auch wenn das klappt, wird man Schwerpunkte setzen müssen. Und oberste Priorität hat für mich mehr Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche“, betonte die CDU-Politikerin.
Sozialverbände begrüßen Pflegegeld-Vorschlag
Mehrere Sozialverbände haben die Pläne für ein Pflegegeld als Lohnersatz bei der Pflege Angehöriger von Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) begrüßt. „Das Pflegegeld sollte analog zum Elterngeld ausgestaltet sein“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Joachim Rock, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch die Chefin des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, forderte eine „Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten mindestens in Höhe des Elterngeldes“.
Ein „reines Pauschalmodell“ werde der sozialen Realität vieler Pflegender nicht gerecht, sagte Engelmeier. „Stattdessen braucht es eine sozial gestaffelte Lösung mit klarer Ober- und Untergrenze, die sich am vorherigen Einkommen orientiert.“ Pflegende müssten sich ohne Existenzangst um ihre Angehörige kümmern können. Rock gab als „Orientierung“ einen Anteil von 65 Prozent des „letzten Nettoeinkommens, mindestens aber 300 und maximal 1800 Euro“, an.
Zuspruch erhielt der Vorstoß Priens auch vom BIVA-Pflegeschutzbund, der Interessenvertretung bei Pflege und Betreuung. Wenn Angehörige ihre Erwerbstätigkeit wegen der Pflege einschränken oder ganz aufgeben, sei dies für die pflegenden Angehörigen ein erhebliches Armutsrisiko, warnte Markus Sutorius, Jurist beim Pflegeschutzbund. „Es braucht Anreize für pflegende Angehörige, diese wichtige Arbeit zu übernehmen“, forderte er in den Funke-Zeitungen.
Bedenken äußerte indes der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Eine solche Leistung könnte neue Ungerechtigkeiten schaffen. „Gerade Bezieher relativ hoher Einkommen könnten eine Pflegeauszeit aus eigenen Mitteln finanzieren, werden aber mit dem Familienpflegegeld auch von Bürgern mit geringeren Einkommen finanziert“, sagte Wasem der Mediengruppe.
rct