Ukrainetalk bei Maischberger
Ischinger: „Wir müssen Trump loben und verteidigen“
21.05.2025, 03:51 Uhr
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Die Friedensgespräche für die Ukraine sind in weite Ferne gerückt. Das ist nach dem Telefongespräch von US-Präsident Trump mit dem russischen Präsidenten Putin zur bitteren Wahrheit geworden. Warum es sich dennoch lohnt dranzubleiben, erläutert der ehemalige Diplomat Ischinger bei Maischberger.
Der amerikanische Präsident Donald Trump wollte eigentlich den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich beenden – im Moment sieht es jedoch so aus, als bisse er beim russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Granit. Der Kremlchef drückte sich am vergangenen Donnerstag vor Gesprächen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj in Istanbul. Am Montag dann telefonierten Trump und Putin miteinander. Was dabei herausgekommen ist, ist unklar. Wie es doch noch zu einem schnellen Frieden in der Ukraine kommen könnte, versuchen am Dienstagabend der langjährige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, und der Trump-Berater Andrew Langer bei Sandra Maischberger in der ARD zu klären.
„Wir müssen Trump loben und verteidigen“, ist die Meinung von Wolfgang Ischinger. Seit mehr als zwei Jahren hätten deutsche Politiker diplomatische Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine gefordert. Europäische Politiker seien mit derartigen Versuchen gescheitert. „Das hat Trump hingekriegt“, stellt Ischinger fest. „Vor allem jetzt ist in wenigen Tagen diplomatisch mehr passiert als in den ganzen drei Jahren vorher.“ Das sei Trumps Verdienst. Falsch sei gewesen, dass Trump zu sehr auf Putin zugegangen und Selenskyj zu sehr unter Druck gesetzt habe.
„Ich würde aber verstehen, wenn Trump auch in der Lage, die jetzt entstanden ist, auch nach dem Telefonat, das nicht den Durchbruch zu dem erstrebten Waffenstillstand gebracht hat, zum Umschalten noch nicht bereit ist. Trump denkt offensichtlich, Putin ist am Ende, weil seine Wirtschaft den Bach heruntergeht, seine militärischen Verluste grotesk sind. Der muss doch jetzt das Gefühl haben, er brauche einen Rettungsanker und den Frieden. Ich fürchte, da liegt Donald Trump falsch.“ Putin sei die Wirtschaftsentwicklung in seinem Land schnuppe. Er glaube, seine Bevölkerung werde keinen Volksaufstand gegen ihn lostreten. Militärstrategisch habe Putin keinen Grund, die Kurve zu kriegen. „Es muss im Kopf von Wladimir Putin erst einmal die Einsicht gewachsen sein, dass der weitere Einsatz der eigenen militärischen Macht nichts mehr bringt. Und die ist in seinem Kopf noch nicht gewachsen.“
„Der Krieg ist sehr teuer für die USA“
Donald Trump hatte sich nach dem Telefongespräch mit Putin verhalten optimistisch geäußert: „Ich denke, es wird etwas passieren. Wir haben es mit zwei großen Egos zu tun, aber etwas wird passieren. Und wenn nicht, ziehe ich mich zurück, und die können alleine weitermachen. Das ist eine europäische Angelegenheit, und es wird eine europäische Angelegenheit bleiben.“
Andrew Langer ist Berater des US-Präsidenten, konservativer Aktivist und Trump-Anhänger. Auch er sagt: Es geht etwas voran. Ihm zufolge ist Putin der Einzige, der den Konflikt in der Ukraine beenden kann. Trump versuche gerade herauszufinden, wie man Putin dazu bekommen könne, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Trump wisse: Der Krieg in der Ukraine sei teuer, auch für die USA, und auch sein politischer Ruf hänge von einem Ende des Krieges ab. Trump und sein Außenminister Marco Rubio hätten die Komplexität der Angelegenheit begriffen und setzten sich im Moment für den Frieden in der Ukraine ein.
Und Putin? Der lässt die Ukraine bombardieren, lässt die stärksten Angriffe seit Beginn des Krieges fliegen, und erklärt in einem Interview, die russische Armee könne ohne Weiteres noch zwanzig Jahre durchhalten. „Ich habe große Zweifel, ob Putin bereit ist, jetzt ernsthaft über Waffenstillstand und Frieden zu verhandeln“, analysiert Ischinger die aktuelle Situation. Deswegen sei der europäische Versuch wichtig, Trump weiter bei der Stange zu halten. Drei Jahre lang habe es keine Abstimmung eines US-Präsidenten mit europäischen Staatschefs gegeben. Trump sehe sich jetzt dazu genötigt. „Ich finde, das ist ein ganz großer Schritt“, so Ischinger.
Wie es weitergehen könnte
Trump werde jetzt auf beide Seiten Druck ausüben, um den Krieg zu beenden. Da ist sich Andrew Langer sicher. Sanktionen gegen Russland werde es jedoch nicht geben. Stattdessen werde Trump die Ölförderung in den USA deutlich hochfahren und damit die Exporte aus den USA anheizen, um Russland aus dem weltweiten Ölgeschäft hinauszudrängen. Gleichzeitig werde er den ukrainischen Präsidenten weiterhin unter Druck setzen, sich von russisch besetzten Regionen in der Ostukraine zu trennen.
„Außerordentlich unwahrscheinlich“ ist laut Ischinger, dass sich die Vereinigten Staaten aus den Verhandlungen zurückziehen. Täten sie das, bliebe ein machtpolitisches Vakuum bestehen, das für alle Beteiligten gefährlich sei. „Ich glaube, dass man in Washington inzwischen eine kleine Kurskorrektur vorgenommen hat, weil man sich klar darüber geworden ist: Wenn es das Ziel ist, diesen Krieg in der Ukraine zu beenden, geht das nicht ohne aktive Beteiligung der Europäer.“
In einem Gespräch hatte US-Vizepräsident Vance dem deutschen Diplomaten versichert, niemand könne einen Keil zwischen Europa und die Vereinigten Staaten treiben. Das gelte auch für mögliche Friedensverhandlungen: „Man braucht sich gegenseitig.“ Doch pessimistisch ist Ischinger, was den Zeitpunkt für ein Ende des Krieges angeht. „Ich fürchte, das wird noch ein Marathonlauf. Das wird noch viele Wochen dauern, vielleicht Monate. Wir brauchen viel Durchhaltekraft.“