Großbritannien und die Europäische Union haben sich auf ein Abkommen verständigt, das die Zusammenarbeit beider Seiten auf eine neue Grundlage stellt. Das gab der britische Premierminister Keir Starmer am Montag vor einem Gipfeltreffen mit den EU-Spitzenvertretern bekannt. „Es ist Zeit, nach vorne zu blicken – die alten politischen Auseinandersetzungen hinter uns zu lassen und pragmatische Lösungen zu finden, die das Leben der Briten verbessern“, schrieb Starmer auf X. Das Abkommen markiert die bedeutendste Neuausrichtung der Beziehungen beider Seiten seit dem Brexit im Januar 2020.
Adressiert sind darin die Themenfelder Verteidigung, Sicherheit, Fischerei und Jugendmobilität, wie EU-Vertreter mitteilten. Dies würde es britischen Unternehmen auch ermöglichen, an EU-Rüstungsprojekten beteiligt zu werden. Die Vorlage sei den Vertretern der 27 EU-Mitgliedstaaten vorgelegt worden, hieß es weiter. Der Durchbruch erfolgte vor einem für Montag geplanten EU-Großbritannien-Gipfel, an dem unter anderem EU-Ratspräsident Antonio Costa, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Starmer, der früher für einen Verbleib Großbritanniens in der EU eintrat, teilnehmen sollten.
Durchbruch nach nächtlichen Verhandlungen
Der Durchbruch für das Abkommen wurde nach nächtlichen Verhandlungen am Morgen erzielt. Im Mittelpunkt der Neuausrichtung steht ein Verteidigungs- und Sicherheitspakt. Dieser könnte britischen Rüstungsunternehmen die Teilnahme an einem 150 Milliarden Euro schweren Programm zur Wiederbewaffnung Europas ermöglichen. Großbritannien wird voraussichtlich auch für zwölf Jahre Zugang zu seinen Fischgründen gewähren. Dieser Schritt dürfte Kritik von Politikern und der Fischereiindustrie hervorrufen. Im Gegenzug sollen Grenzkontrollen und Bürokratie entfallen, die seit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs den bilateralen Handel erschwert haben.
Zudem hofft Großbritannien auf schnelleren Zugang zu E-Gates für britische Reisende an EU-Flughäfen. Im Gegenzug könnte das Land einem begrenzten Jugendmobilitätsprogramm zustimmen und am Erasmus+-Studentenaustauschprogramm teilnehmen. Das britische Referendum von 2016 zum EU-Austritt offenbarte eine tiefe Spaltung der britischen Gesellschaft. Nur eine knappe Mehrheit sprach sich für den drastischen Schritt aus, in dessen Folge die britische Wirtschaft unter Druck geriet. Die Beziehungen zu Brüssel wurden erheblich belastet. Fünf Premierminister amtierten, bevor Starmer im vergangenen Juli sein Amt antrat.
Aktuelle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Briten die Brexit-Entscheidung bereut. Es gibt jedoch wenig Interesse an einem Wiedereintritt in die EU. Unter Starmer hat sich Großbritannien kontinuierlich der EU und vor allem Frankreich und Deutschland wieder angenähert. Dies kommt vor allem auch im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump zum Ausdruck.
In diesem Bereich bemühen sich die Regierungen in London und Paris gemeinsam mit dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz um ein einheitliches Vorgehen, auch zusammen mit Polens Ministerpräsident Donald Tusk.